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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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den erstbesten Supermarkt gehen. Ich wette, Blue
    Velvet gibt es zu Dumpingpreisen und überschwemmt den Markt.«
    Als wir wieder auf die Durchgangsstraße einbiegen wollten, mussten wir erst ein Stück zurücksetzen, weil gerade der nächste Tankwagen aus Bad Bertrich die Kurve nehmen wollte.
    Im ausgefransten Außenbezirk Spas besuchten wir den ersten Supermarkt, der geöffnet war, und fanden Blue Velvet palettenweise, angepriesen als Das fantastische Blue Velvet! Die PET-Einliterflaschen waren umgerechnet dreißig Pfennig billiger als die Konkurrenzprodukte. Wir kauften fünf Flaschen und teilten uns eine, wir hatten Durst.
    Dann parkten wir am Rande eines Wäldchens in der frühen Morgensonne, und bevor ich einschlief, hörte ich noch, wie Rodenstock mit Kischkewitz telefonierte.
    Als ich aufwachte, schien die Sonne schon schräg in mein Auto. Es war Nachmittag geworden und Rodenstock neben mir grunzte wie ein Wildschwein und schien unter Atemnot zu leiden, machte aber ansonsten den Eindruck eines hochzufriedenen Babys.
    Ich stieg vorsichtig aus und wäre beinahe umgefallen, weil jeder Schlaf in einem Mittelklasseauto zwangsweise Krüppel entlässt. Ich hielt mich an der Kühlerhaube fest, bis ich wieder ohne Hilfe stehen konnte. Dann rief ich Vera an.
    Sie ließ mich nicht zu Wort kommen, giftig sagte sie: »Wir wollten schon nach euch fahnden lassen. Wo, um Himmels willen, steckt ihr?«
    »Wir haben ein veritables Mordmotiv entdeckt.«
    »Und was nützt das, wenn du tot bist?«
    »Wieso tot?«
    »Na ja, ich meine, es hätte ja was passieren können.«
    »Das ist richtig. Aber es ist nichts passiert. Du kommst mir vor wie der Unternehmer, der seine Angestellten anbellt: Heute ist Montag, morgen ist Dienstag und übermorgen ist Mittwoch – also ist die halbe Woche bereits verstrichen, ohne dass irgendetwas gearbeitet worden ist! Was sollen diese fürchterlichen Konjunktive? Wir versuchen jetzt einen Kaffee zu erstehen und kommen dann heim.«
    »Wo seid ihr denn?«
    »In Belgien natürlich.«
    »Wieso natürlich? Hätte ja auch Timbuktu sein können, oder Hammerfest oder Kirgisien.«
    »Richtig. Bis nachher.«
    »Emma sagt, ihr sollt Milch mitbringen. Ist keine mehr da.«
    »Machen wir«, versprach ich und beendete die Verbindung.
    »Heirate sie nie«, sagte Rodenstock mit dumpfer Stimme neben mir. »Vor allem ruf sie niemals an, wenn du gerade wach geworden bist. Sind sie sauer?«
    »Säuerlich würde ich sagen. Wir sollen Milch mitbringen.«
    »Milch!« Er warf theatralisch die Arme in die Luft. »Wir retten die Welt und unsere Frauen befehlen, wir sollen Milch kaufen.«
    Irgendwo in der Gegend von St. Vith machten wir noch mal Halt bei einem Lebensmittelladen und kauften ein paar Liter Milch.
    »Sag mal, hat Kischkewitz eigentlich inzwischen mehr über den Finger in Erfahrung bringen können?«
    »Nicht das Geringste. Seine Leute haben sämtliche praktischen Ärzte in der Vulkaneifel abgegrast und alle Krankenhäuser. Jemand mit einem fehlenden kleinen Finger ist nicht aufgetaucht.«
    »Was machen wir nun?«
    »Wir fahren nach Hause, beschwichtigen die Mädels und machen uns auf ins schöne Hachenburg im Westerwald. Allerdings nicht mehr heute. Ich spüre die Last der Jahre.«
    »Du fischst nach Komplimenten.«
    »Ja, es macht Spaß.«
    Zu Hause wurden wir begeistert von Paul und Satchmo begrüßt, die sich schnurrend an unseren Beinen rieben. Mein Hund war nicht vorhanden, Emmas Auto ebenfalls nicht.
    Auf dem Küchentisch lag ein Zettel: Wir sind mit wichtigen Arbeiten beschäftigt. Das ›wichtig‹ war dreimal unterstrichen.
    »Diese Angeber«, muffelte Rodenstock. »Ich leg mich was auf den Rücken. Dein Auto ist nix zum Schlafen.«
    Ich hockte mich in mein Arbeitszimmer und hörte die CD von Manfred Krug und Charles Brauer, bis sie bei Stormy Weather und Jim, Jonny und Jonas angekommen waren. Nur selten hat man die Gelegenheit, dermaßen konzentriert und freudig mitsingen zu wollen und dabei in Schmalz ersaufen zu können. Richtig gut, richtig gekonnt, die richtige Anmache. Yesterday it was a blues, today I'm singing a love song.
    Ich nahm mein Arbeitstagebuch und sammelte Fragen und Fakten: Wem gehört der kleine Finger aus dem Steinbruch? Wer war die Geliebte von Franz-Josef Breidenbach? Holger Schwed war tot. Warum? Weil er etwas wusste, was er nicht hätte wissen dürfen? Oder weil er Zeuge von etwas geworden war, was er nicht hätte sehen dürfen? Aber was hatte er nicht wissen dürfen? Oder was

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