Eifel-Wasser
an den Behördenchef weitergegeben. Der entschied, dass es in der Schublade blieb. Warum, weiß ich nicht.«
»Korruption?«
Ihre Hände bewegten sich rasch. »Darauf zu antworten fällt sehr schwer. Was ist Korruption? Vielleicht hat der Vorgesetzte entschieden, die Bürger nicht beunruhigen zu wollen, die Sache leise zu beerdigen. Wie in Monschau damals, bei dem Perlenbach-Syndrom, wie ich es nenne.«
»Was meinen Sie mit ›Perlenbach-Syndrom‹, davon habe ich noch nie gehört?«
»Kennen Sie die Geschichte nicht? Da gab es einen Trinkwasser-Ring, der rund 50.000 Einwohner versorgte. Das Wasser stammte aus einer kleinen Talsperre, obwohl – eigentlich ist es nichts anderes als ein gestautes, vollkommen verschlammtes Flussbett in der Perlenau. Viel zu klein für 50.000 Menschen. Eines Tages war es so weit, das Wasser enthielt Krankheitskeime und alle Haushalte bekamen Post, in der empfohlen wurde, das Wasser vor Gebrauch abzukochen. Das technische Hilfswerk und die Feuerwehr mussten Notleitungen legen. Und der Regierungspräsident in Köln erließ sogar eine Verfügung gegen die Wasserwerker. Aber die Vorstandsmitglieder dieses kleinen Verbandes haben jede Verantwortung weit von sich gewiesen und erzählen noch heute davon, wie gut sie gearbeitet haben. Sie haben überhaupt nicht gearbeitet, sie haben nur Mandate, Ämter, Aufgaben und Funktionen so verknüpft, dass kein Mensch mehr durchblicken konnte, wer für was verantwortlich war. Die einzig sichtbare Frucht ihrer Arbeit war ein neues Verwaltungsgebäude für dreieinhalb Millionen Mark. Die Bürger dagegen bekamen für ihr gutes Geld mieses, schlammiges, verseuchtes Wasser geliefert. Wilhelm Loos aus Roetgen, inzwischen leider verstorben, hat den Vorgang ausgezeichnet dokumentiert. Doch selbst damit stieß er auf Granit. Wenn die hohen Herren behaupten, das Wasser sei klasse, dann ist das klasse und dann arbeiten sie gut. Und Lamm hat behauptet, er benutze gar kein Vinyl mehr, und war damit aus dem Schneider. Warum der Sache nachgehen, gucken, ob er lügt? Das Ganze ist noch unglaublicher, weil niemand danach gefragt hat, ob er Vinyl benutzt, sondern es ging darum, dass das Vinyl irgendwie ins Grundwasser gekommen ist.« Sie hatte sich richtig in Rage geredet.
Tina brachte unsere Getränke.
»Das heißt doch, dass Sie an Korruption glauben?«
»Korruption ist das falsche Wort, meine ich. Da wird an Macht festgehalten, Machtverhältnisse werden geschützt und keiner hackt dem anderen ein Auge aus.«
»Franz Lamm hat mir erzählt, dass Ihr Ressortchef in seiner Finca auf Ibiza Urlaub machen durfte.«
»Das ist nicht wahr«, staunte sie mit großen Augen. Offensichtlich war das neu für sie.
»Doch, das ist wahr. Wie können Sie in so einer Behörde überhaupt noch arbeiten?« Ich wollte sie provozieren.
»Ich habe schon vor zwei Jahren um Versetzung in ein anderes Referat gebeten. Und Franz-Josef wollte im Herbst kündigen, in den Vorruhestand gehen.«
Nun war ich vollkommen überrascht. Nach zwei Sekunden konnte ich vorsichtig bemerken: »Ein Beamter kündigt doch nicht.«
»Manchmal eben doch«, antwortete sie beinahe triumphierend.
»Warum hat seine Frau davon nichts gesagt?« Ich stellte mir selbst diese Frage, Breidenbach auf Kündigungskurs war irritierend, passte überhaupt nicht in das Bild, das ich mir gemacht hatte.
Heidi Weidenbach erwiderte leise: »Vielleicht wusste seine Frau nichts davon.«
»Halten Sie das für möglich? Er war doch so ein Familientier.«
Sie kniff die Lippen zusammen, ihre Hände wirkten wieder sehr aufgeregt. »Ich halte es für durchaus möglich, dass er über seinen Entschluss mit niemandem gesprochen hat. Er deutete mal so was an. Vielleicht hatte das Familientier von Familie die Nase voll?«
»Hat er denn erwähnt, was er nach seinem Weggehen aus dem Amt tun wollte?«
»Nein. Er sagte nur: Dann fängt das Leben erst richtig an! Und ich glaube, er freute sich auf die Zeit wie ein Kind.«
»War er denn der Mann, der so einen schwerwiegenden Entschluss geheim halten konnte?«
»Unbedingt«, nickte sie.
»Hm«, ich überlegte. »Kennen Sie seine Frau? Wissen Sie, wie es um die Ehe der Breidenbachs stand?«
Sie starrte einen Moment auf die Tischplatte und trank einen Schluck von ihrem Bier. »So richtig weiß ich das natürlich nicht. Mein Eindruck war, die Ehe war irgendwie ... also irgendwie alt. Franz-Josef hat mal so eine Bemerkung gemacht, da tue sich nichts mehr. Und so, wie ich die Frau
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