Eifel-Wasser
flüsterte: »Das musste mal passieren.« Doch er ließ sich umstimmen und befahl: »Wir gehen in die Küche.«
Vera hockte in ihrem Sessel, hielt meine Hand fest, als könne sie allein nicht atmen, und stöhnte: »Unfassbar. Das ist unfassbar.« Emma saß aufrecht und ihr Gesicht wirkte auf einmal sehr alt, alle Muskeln waren angespannt. Rodenstock nahm sein Handy und ging hinaus in den Vorraum. Ich begleitete Glaubrechts und den Arzt in die Küche und sagte Unsinnigkeiten wie: »Das wird schon wieder.«
Glaubrecht setzte sich an den Tisch und legte die zerschnittene Hand auf die Platte, die sofort voller Blut war.
»Mal sehen«, murmelte der Arzt. »Kann sein, dass das ein bisschen pikst.« Es war eine so blöde Bemerkung, dass das Schluchzen Gabriele Glaubrechts in ein kleines, nervöses Gelächter überging. Sogar ihr Mann grinste.
»Ich habe noch gar nicht zu Ende erzählt«, stellte Glaubrecht nicht ohne Vorwurf fest.
»Das können Sie anschließend«, murmelte der Arzt. Er arbeitete schnell und konzentriert, fädelte einen Faden in die Nadel und versorgte behutsam die Wunde.
Hinter uns setzte Gabriele Glaubrecht Kaffee auf und sagte plötzlich wütend: »Verdammt, jetzt ist sogar der Kaffeefilter voller Blut.«
Es war befreiend, als Johann Glaubrecht indirekt antwortete: »Entschuldigung. So was Blödes, eine neue Scheibe wird verdammt teuer.«
Die pragmatische Emma wischte schließlich, auf den Knien liegend, im Wohnzimmer die Fliesen sauber. Dabei keuchte sie: »Lasst uns ein paar Schnittchen machen, ich habe ein Loch im Bauch.«
Also wurden Schnittchen geschmiert, Rodenstock hatte sein ominöses Telefonat beendet und machte ein befreites Gesicht, Kaffee wurde ausgeschenkt, Vera brachte eine Platte mit Broten und Gabriele Glaubrecht teilte mit: »Der Arzt sagt, es ist nicht so schlimm, wie es aussieht, Jonny wird wieder okay. Ich bin so froh.«
Munter sagte Emma: »Vorsichtig, Kindchen. Ihr seid nicht über den Berg. Noch viel Arbeit für die Seele.«
»Ich weiß«, murmelte Gabriele Glaubrecht.
Endlich saßen wir wieder zusammen, Johann Glaubrecht mit einer dick bandagierten Hand neben seiner Frau, rechts von mir Vera und Emma, links Rodenstock.
Mit rauer Stimme fuhr Glaubrecht mit seinem Bericht fort. »Es war also so, dass Lamm nicht mehr ausweichen konnte. Wir hatten alles schriftlich dokumentiert, so gut wir das eben konnten. Und wir hatten Fotos gemacht.« Er grinste matt. »Irgendwann hatten wir für die Kinderfotos eine billige Kamera gekauft, so eine für Idioten, mit der man nichts falsch machen kann. Wir wussten ja, dass uns niemand glauben würde, jedenfalls nicht ohne Beweise. Wir haben alles fotografiert. Die Leute, die in der Sache eine Rolle spielten, die Autos, mit denen sie fuhren, die Orte, an denen sie zusammenkamen. Wir haben alles und jeden. Lamm mit Auto, Abi mit Auto, seine Kumpel mit Autos, Still mit Auto, seinen Geschäftsführer, Doktor Manfred Seidler. Wir haben auch Lamms Prokuristen, wir haben auch Breidenbach, wie er unterhalb der Türen- und Fensterfirma Bodenproben nimmt, wir haben seine Kinder, als sie versuchten, eine Reportage für den Offenen Kanal zu machen. Wir haben sogar Breidenbachs Frau und diesen Holger Schwed zusammen mit Heiner Breidenbach und Karl-Heinz Messerich, das ist so ein Pennertyp, der manchmal mit Breidenbach zusammentraf. Wir sammelten das alles und warteten. Lamm musste sich melden, ich hatte vierundzwanzig Stunden gesagt und ...«
»Entschuldigung, Jonny«, unterbrach Emma, »was wollten Sie denn tun, wenn er sich nicht meldete?«
»Zur Oberstaatsanwaltschaft nach Koblenz gehen. Mit allen Fotos und mit unserem Bericht«, antwortete er. »Aber Lamm meldete sich ja. Er sagte, das Geld würde mir gebracht. Aber nicht nach Hause, sondern auf einen Parkplatz an der Autobahn 48 zwischen Trier und Koblenz in Höhe Mayen. Wir besorgten uns ein zweites Auto. Dann fuhr Gabriele vor und ich hinterher. Ich parkte so, dass Gabriele auf einer Böschung stehen und mich fotografieren konnte. Natürlich kam dieser Abi und Gabriele hat Bilder gemacht. Er reichte mir einen Koffer rein. So einen schmalen aus Aluminium. In dem Koffer war das Geld. Schwanitz fuhr wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben.«
»Es waren tatsächlich zweihunderttausend Mark drin?«, fragte Emma.
»Richtig«, nickte er. »Wir verkauften das Haus, suchten hier ein neues. Die Bank in Daun war einverstanden.«
»Warum im Westerwald?«, fragte Rodenstock.
»Als Achtzehnjähriger
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