Eifel-Wasser
Tisch gelegt, über dem grelles Licht brannte.
Die Menschen um mich her schienen auf meine Meinung und meine Schmerzen kein sonderliches Gewicht zu legen. Ich hörte freundliches Gemurmel: »Das haben wir gleich!« -»Herz- und Kreislaufprobleme nicht aufgetreten. Kaum Schockwirkung.« – »Nieren soweit okay. Befund an der Leber geht klar. Keine Fraktur im Bereich der Beine.« -»Was ist mit dem Schädel?« – »Der Nasenbeinbruch ist glatt. Keine Trümmer. Zwei Klammern im Bereich der oberen Lippe innen gesetzt.« – »Soweit erkennbar kein Milzriss, müssen wir sicherheitshalber aber noch mal genau abklären. Wir sollten uns umgehend den Kieferbereich vornehmen. Da muss jemand eine Eierhandgranate reingelegt und abgezogen haben.«
Ich wollte sie korrigieren und erklären, dass es keine Eierhandgranate, sondern Abi Schwanitz gewesen war. Ich wollte zu verstehen geben, dass er meine Nieren und meine Leber nicht angetastet hatte. Und meine Milz schon gar nicht. Wo sitzt eigentlich die Milz und wozu ist sie gut? Vor allem wollte ich sie bitten, dass sie mich endlich in Ruhe lassen sollten.
Aber sie taten alle so, als existierte ich gar nicht. Und niemand schien zu begreifen, dass ich Schmerzen hatte und mich ekelhaft fühlte.
Der absolute Höhepunkt war eine eilig vorbeischwebende Nonne mit Engelsgesicht, die kurz stehen blieb, mich musterte und dann verständnisvoll nickte. »Ja, junger Mann, der Straßenverkehr heutzutage ist wirklich mörderisch.«
Ich wurde wieder auf eine rollende Unterlage verfrachtet, verfiel für einige Zeit in wohltuendes Dösen und fand mich in sitzender Position wieder. Die Lampe über meinem Kopf war grell und ich musste die Augen schließen.
Jemand stellte außerordentlich freundlich fest: »Ich bin der Zahnarzt.«
Wie schön für Sie, dachte ich.
»Mein Name ist Stefan Hoffmann. Wissen Sie, was mit Ihnen passiert ist?«
Ich nickte.
»Und Sie verstehen mich und begreifen, was ich sage?«
Ich nickte wieder. Ich wollte meine Augen öffnen und langte matt nach dem Scheinwerfer über mir.
»Oh, Entschuldigung«, reagierte der Arzt sofort und schob das Licht zur Seite.
»Hat Ihr Gegner eine Waffe benutzt? Einen Knüppel? Einen Schlagring oder so was? Einen Totschläger?«
Jetzt konnte ich sein Gesicht sehen. Vom Äußeren her war er unstreitig ein netter Kerl und so jung, dass ich ihm am liebsten zum Einjährigen gratuliert hätte. In der Straßenbahn hätte ich ihm zweiundzwanzig Jahre gegeben, was angesichts des Titels Zahnarzt unrealistisch war. Unter einem Lockenkopf saß ein freundliches Gesicht mit einer kühlen, sachlichen Brille, Menschen zugewandt wie ein gütiger kleiner Mond. Wahrscheinlich wurde er von älteren Damen mit Vorliebe »mein Junge« genannt. Seine Augen verströmten den Schimmer unbedingter Zuversicht. Das entschieden positivste Signal dieses Gesichtes war, dass sein Besitzer offensichtlich wusste, was er tat und über was er redete.
»Ich frage deshalb«, fuhr er fort, »um einschätzen zu können, mit welcher Kraft Sie getroffen wurden.«
»Kein Instrument«, sagte ich. Die Worte zischten merkwürdig.
»Dann hat Ihr Gegner nun ein Problem mit dem Handgelenk. Und wahrscheinlich auch eins mit den Fingerknöcheln«, stellte er fest. Dann kam er zu seiner eigentlichen Aufgabe. »Ich habe hier eine Röntgenaufnahme. Wenn Sie freundlicherweise mal genau hinsehen, dann entdecken Sie hier am Oberkiefer zwei flache Konturen. Das sind zwei Schneidezähne. Allerdings nicht in voller Pracht stehend, sondern in einem Winkel von fast neunzig Grad nach hinten gebogen. Mit anderen Worten, die werde ich gleich entfernen müssen, sie sind nicht mehr zu retten.« Er lächelte. Wahrscheinlich hätte ich ihn als Kind zum heiligen Nikolaus gemacht. »Das war die schlechte Neuigkeit. Jetzt kommt die bessere. Ich kann sofort Kunststoffersatz einsetzen, sodass wir Sie in die Menschheit zurückentlassen können, wenngleich nicht ganz in alter Pracht. Und im Übrigen ...«
»Entlassen ist ein schönes Wort«, unterbrach ich ihn.
»Ja«, sagte er im Ton eines gütigen Landpfarrers. »Aber ausschlafen sollten Sie schon. Ihr Schädeltrauma ist nicht von schlechten Eltern. Wir können nun eine komplette Betäubung machen oder aber eine lokale. Ich bin für die lokale, sie ist wesentlich risikoloser.«
»Lokal«, entschied ich mutig.
»Gut.« Er grinste frech. »Der Mann muss Sie richtig gehasst haben.«
»Hat er«, nickte ich. »Und nun spritzen Sie endlich ...«
Er
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