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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Heldenkörper und ich dachte erst, sie würde mich umbringen. Aber es ging zusehends besser.
    Jemand hatte fürsorglich einen Bademantel in das kleine Bad gehängt. Ich zog ihn über und trat auf den Gang.
    Es war so, wie ich erwartet hatte: Auf dem Flur saß ein unendlich gelangweilter Polizeibeamter und bewachte ein Zimmer, dessen Tür sperrangelweit aufstand. Geschätzte Entfernung: zehn Meter.
    Von hinten näherte sich der Nachtdrachen und zischte: »Das geht aber nicht!«
    Ich setzte mein Missionarslächeln auf und sagte: »Sie haben keine Ahnung, was alles geht. Ich liege jetzt fünf Tage still, das schmeißt den besten Kreislauf. Ich mache nur ein paar Schritte hin und her. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    »Haben Sie eine Ahnung!«, erwiderte sie dumpf, verschwand aber, ohne handgreiflich zu werden.
    Ich ging vorsichtig auf den Polizisten zu. Er war ein fülliger Mann mit einem beachtlichen dunklen Schnäuzer in einem sehr freundlichen Gesicht, vierzig Jahre alt vielleicht. Er starrte mir entgegen und sagte nach sechs Schritten: »Nicht weiter, bitte!«
    Ich stoppte und zeigte auf die Tür. »Franz Lamm, nicht wahr?«
    »Richtig. Woher wissen Sie das?«
    »Ich arbeite an dem Fall mit. Ich bin der, der von Abi Schwanitz verprügelt worden ist.«
    »Ach! Furchtbar, diese Großstadttypen. Man sollte die zwingen, mit einer roten Laterne rumzulaufen. Kommen hierher und spielen sich auf wie Graf Koks.«
    »Ist er bei Besinnung?«
    »Ja. Aber Sie dürfen nicht rein. Sie sind doch Journalist, oder?«
    »Erst einmal bin ich Patient«, sagte ich und machte ein paar weitere Schritte.
    »Lamm ist ein tragischer Fall«, seufzte der Beamte. »Unter die Frankfurter Würstchen gefallen. Scheißstädter. Ich hoffe, sie kriegen die, die das mit Breidenbach gemacht haben.«
    »Sicher.« Ich war jetzt weit genug gelaufen, um in das Zimmer hineinsehen zu können.
    Lamm lag, den Oberkörper ziemlich aufrecht und mit einem schneeweiß verbundenen Kopf, in seinem Bett. Schläuche verbanden ihn mit zwei Infusionsständern.
    »Das hat er nicht verdient«, murmelte ich.
    »Weiß Gott nicht«, sagte der Polizist. »Gibt fünf Dörfern Arbeit. Und jetzt das!«
    Lamm hielt die Augen geschlossen.
    Ich machte zwei Schritte in den Raum hinein, aber so, dass der Polizist mich kontrollieren konnte.
    Lamm öffnete die Augen und erkannte mich augenblicklich. Er begann zu weinen. Natürlich, sie hatten ihm Mittel gegeben, die Körper und Seele entspannten.
    Der Polizist stand plötzlich neben mir, protestierte jedoch nicht.
    »Was ist, Franz?«, fragte ich zaghaft.
    »Das Schwein«, sagte er erschöpft. »Das Schwein versucht mich zu übernehmen. O Gott, dieses Schwein.« Er verlor nun gänzlich die Fassung, seine Welt war zersprungen wie eine Kugel aus dünnem Glas.

NEUNTES KAPITEL
    »Was ist, wenn ihn das zu sehr aufregt?«, flüsterte der Polizist neben mir.
    »Er weint und das schafft Erleichterung«, sagte ich.
    »Das ist auch wieder richtig«, nickte er. »Wir können ja im Zweifelsfall die Schwester rufen.«
    »So ist es.« Ich starrte auf das zuckende Bündel, das einmal der große Franz Lamm gewesen war.
    »Was war denn eigentlich los?«, fragte ich. »Wieso wolltest du dich aus der Welt blasen?« Ich trat neben sein Bett und sah auf ihn herunter.
    Der Polizist stellte sich auf die andere Seite und wirkte besorgt.
    Lamm stammelte: »Das wollte ich wirklich. Ich habe doch nichts begriffen, ich habe anderthalb Jahre nichts begriffen.« In diesen Sekunden wirkte er uralt.
    »Was ist passiert, Franz?«, fragte nun auch der Polizist. »Du kannst es ruhig erzählen, du weißt doch, wer ich bin.« Etwas linkisch setzte er hinzu: »Irgendwann musst du mal reden, Franz.«
    Eine Sekunde gab Lamm sich Ruhe und sah den Polizisten an. »Karl«, sagte er dann. Er griff nach mir und bekam die linke Seite des Bademantels zu fassen. »Baumeister, ich war ein Arschloch.«
    »Nun mal langsam«, sagte ich wütend und griff seine Hand. »So schnell wirst du kein neues Arschloch. Du musst erst mal das alte abschaffen, und das dauert. Erzähl.«
    »Der Still«, schluchzte er, »der Still. Er macht alles kaputt.«
    Ich fürchtete, dass er sich in Wortfetzen verlieren würde, und das wollte ich nicht dulden. Ich musste ihn treiben. Das war gut für ihn und das war gut für mich.
    »Es ging mit Breidenbach los, nicht wahr?«
    Lamm nickte. »Ja, so fing das an, damals im Mai. Es war ein Hickhack, Breidenbach wusste nicht, was er wollte. Plötzlich signalisierte

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