Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
nicht!« Jetzt war er privat und ehrlich empört. Für mich war er wie ein Rückfall in schlimme Zeiten.
    »Ich würde an deiner Stelle nicht auf den deutschen Mann pochen. Dann würde der deutsche Mann ja seine Gartenzwerge vögeln und dabei die bundesdeutsche Flagge wehen lassen. Sag mal: Glaubst du wirklich, dass irgendein Mensch dir abkauft, dass du schon um elf Uhr verschwunden bist? Abi, lieber Abi, nun erzähl dem Onkel Siggi endlich, was wirklich geschehen ist.«
    Was immer im Einzelnen in ihm vorging: Im Bruchteil dieser Sekunden begriff er, dass er das Gespräch überhaupt nicht unter seiner Kontrolle hatte. Dass irgendwas mit ihm passierte, dessen Konsequenzen er nicht absehen konnte. Der Junge, für den eine scharfe Waffe nicht mehr als ein Arbeitsgerät war, hatte verstanden, dass er aufs Kreuz gelegt worden war.
    In seinem Gesicht begann es zu zittern, leicht, aber unübersehbar. Und er fixierte mich starr. Dann schoss seine Rechte vor und landete einen einzigen Treffer.
    In meinem Hirn explodierte etwas und entgegen landläufigen Meinungen sah ich keinen einzigen Stern, nicht die Spur funkelnder Lichter, sondern nur ein dunkles, schwarzes Loch, das mich gnädig aufnahm.
    Ich wurde wach, weil Vera sehr nervös »He, Baumeister!« haspelte und mir dabei leicht auf den Brustkorb schlug. »He, Baumeister!«
    Ich wollte was sagen, aber das gelang nicht. Die Schmerzen waren intensiv, aber nicht zu lokalisieren. Der ganze Kopf schien betroffen.
    »He, Baumeister«, flehte Vera erneut.
    Ich murmelte wenigstens ein »Oh«, etwas war in meinem Mund und ließ mich nicht sprechen. Ich wollte die Hand zum Gesicht führen, aber Vera sagte erschrocken: »Fass es nicht an! Gleich kommt Hilfe.«
    »Wieso?«, wollte ich fragen, aber meine Sprache gehorchte mir nicht. Es schien mir durchaus nicht ungewöhnlich, bei einer Auseinandersetzung mit einem kriminellen Menschen eins auf die Nase zu kriegen, wenn ich mich falsch benahm. Warum stellte sich Vera so an?
    Ich versuchte es friedlich und führte die rechte Hand dicht vor mein Gesicht.
    Vera verstand sofort. »Du bist voller Blut. Die Nase sieht gebrochen aus. Aber eigentlich ist das mit deinem Mund viel schlimmer. Er hat dir die oberen Schneidezähne ausgeschlagen. Sie stehen in den Mund rein, deshalb kannst du auch nicht sprechen. Oh, Lieber, schmerzt es sehr?«
    Ich wollte Aspirin sagen, ich wollte fragen, was für Hilfe käme, wollte aufstehen, aber nichts ging. Alle meine Muskeln reagierten nur mit einem Zittern und jede Kraft hatte mich verlassen. Jetzt wusste ich aus eigener Erfahrung, warum dieser Abi als so brutal beschrieben worden war – er hatte überhaupt keine Selbstdisziplin. Und er war in körperlicher Höchstform.
    Vera zündete sich eine Zigarette an. »Willst du mal ziehen?«
    Ich nickte und sie hielt mir die Zigarette an den Mund. Ich musste husten, der Schmerz wurde stärker.
    Plötzlich konnte ich reden, zumindest etwas sagen, was sie verstand.
    »Wer kommt denn?«
    »Dein Arzt, Detlev Horch. Das war ja eine irre Unterhaltung«, sagte sie hastig. »Abi ist also schon auf Kreta auf Breidenbachs Spuren gewandelt. Kreta ist wohl der Schlüssel. Ich wollte schon immer mal nach Kreta. Scheiße, wo bleibt der Arzt?« Sie schluchzte auf, schniefte in ein Taschentuch. »Warum bist du denn so wütend geworden? Ach, na ja, wäre ich auch.«
    »Mir geht es schon besser«, erklärte ich.
    »Du bist ein Arsch!«, erwiderte Vera in heller Wut.
    Plötzlich stand neben ihr ein Mann, der beruhigend sagte: »Alles ganz fantastisch, das ist erste Sahne auf dem Film.«
    »Das ist der Kameramann«, erklärte Vera überflüssigerweise.
    Als Detlev mit seinem Notfallkoffer durch die Bäume gelaufen kam und einigermaßen erschrocken fragte: »Was treibst du schon wieder?«, war ich so erleichtert, dass ich erneut vorübergehend den Geist aufgab.
    Im Rettungswagen, der über eine Wiese holperte, wurde ich wieder wach. Detlev bemerkte, dass ich die Augen geöffnet hatte, und murmelte: »Sich in deinem Alter noch zu prügeln ist aber mehr als heikel.«
    »Ich habe mich gar nicht geprügelt«, nuschelte ich.
    »Still, reden tut weh.«
    Was sie alles mit mir anstellten, nachdem wir endlich im Krankenhaus angelangt waren, weiß ich nicht mehr. Ich kam mir auf jeden Fall wie eine lebende Preisliste vor. Abwechselnd stand, lag oder saß ich, wurde auf einem beinharten Vehikel herumgefahren, vorübergehend irgendwo geparkt, dann weitergerollt, von dem Vehikel gehoben, auf einen

Weitere Kostenlose Bücher