Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
Zuhause, war nur noch ein brüchiges Fundament inmitten verbrannter Erde, ein leckgeschlagenes Floß in rußschwarzer See. Keine einzige Pflanze war nachgewachsen, die Narben, die das Land erlitten hatte, waren nie verheilt.
Warum hatte Sarafine ihrer Familie so etwas angetan?
Wir waren ihr egal. Das ist der Beweis .
Lena ließ meine Hand los und ging auf den Schutthaufen zu.
Lass uns wieder gehen, L. Du musst dir das nicht antun .
Sie drehte sich nach mir um, in ihren Augen lag grün-goldene Entschlossenheit.
Doch .
Sie wandte sich an Tante Del. »Ich muss wissen, was hier los war, bevor … das hier passiert ist.« Sie wollte, dass Tante Del ihre Kräfte nutzte, um die Schichten der Vergangenheit aufzudecken, damit Lena eine Vorstellung von dem Haus hatte, wie es früher gewesen war, vor allem jedoch, damit sie hineinschauen konnte.
Tante Del war aufgeregter als sonst; ihr Haarknoten hatte sich gelöst, einzelne Strähnen fielen lose herab. Zögernd ging sie auf Lena zu. »In letzter Zeit bin ich nicht sehr zielgenau. Vielleicht treffe ich nicht den richtigen Moment, nach dem du suchst, meine Liebe.«
Aber welcher Moment war überhaupt der richtige? Das Feuer? Ich war mir nicht sicher, ob ich es schaffte, das mitanzusehen – und ob Lena die Kraft dazu hatte. »Vielleicht klappt es ja gar nicht.«
Ich legte zärtlich eine Hand auf Lenas Schulter. Ihre Haut brannte.
»Kannst du es nicht wenigstens versuchen?«
Tante Del blickte bekümmert auf die verkohlten Balken, die neben den Grundmauern des Hauses herumlagen. Sie nickte und streckte die Hand aus. Wir setzten uns zu dritt auf den schwarzen Boden und fassten uns an den Händen. Die Sonne brannte auf uns herab, als wolle sie sich einen Wettstreit mit dem Feuer liefern.
»Also gut.« Tante Del starrte angestrengt auf die bröckelnden Grundmauern und sammelte ihre Kräfte, um uns die Geschichte dieses Ortes oder was davon noch übrig war zu zeigen.
Die Luft um uns herum begann zu schwirren, zuerst kaum spürbar, dann immer stärker. Gerade als sich alles um mich herum zu drehen begann, sah ich ihn für den Bruchteil einer Sekunde. Den Schatten, der immer viel zu schnell war und sich meinem Blick entzog. Den Schatten, dem ich in meinem Traum und auf dem Schulparkplatz begegnet war. Den Schatten, der mich zu verfolgen schien und dem ich nicht entfliehen konnte. Er beobachtete uns – so als wüsste er genau, was wir unter den Schichten von Tante Dels Wahrnehmung sahen.
Dann öffnete sich die Tür zur Vergangenheit und ich schaute in ein Schlafzimmer …
Die Wände sind in einem blassen, schimmernden Silberton gestrichen, weiße Lichttupfer flackern an der Decke wie Sterne an einem magischen Himmel. Am Fenster steht ein Mädchen mit langen schwarzen Locken und blickt zum echten Himmel. Die Locken und das hübsche Profil sind mir vertraut – es ist Lena. Aber dann dreht sich das Mädchen um. Es hält ein Bündel im Arm, und jetzt erkenne ich, es ist nicht Lena, sondern Sarafine. Ihre goldenen Augen leuchten. Sie betrachtet das Baby, das seine kleinen Händchen ausstreckt. Sarafine hält dem Kind ihren Finger hin und es ergreift ihn. Sie betrachtet es verzückt. »Du bist so ein hübsches Mädchen. Ich werde immer für dich sorgen …«
Die Tür klappte zu.
Ich wartete darauf, dass sich eine andere Tür öffnete, so wie es immer war. Die Türen schlossen und öffneten sich wie in einer Kettenreaktion. Heute jedoch nicht. Der Himmel kam wieder in Sicht und einen Moment lang sah ich doppelt. Beide Ausgaben von Tante Del machten ein verblüfftes Gesicht.
»Das … das tut mir leid. So etwas ist mir noch nie passiert. Das verstehe, wer will.«
Dabei war es gar nicht schwer zu verstehen. Tante Dels Gabe war aus dem Gleichgewicht geraten, so wie die Kräfte aller anderen auch. Normalerweise konnte sie jederzeit und an jedem Ort Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart vorüberziehen sehen wie die Bilder in einem Daumenkino. Aber jetzt waren einige Bilder herausgerissen und sie hatte nur einen kurzen Blick in die Vergangenheit erhaschen können.
Tante Del war schockiert und wirkte noch verwirrter als sonst. Ich nahm sie beim Arm und half ihr aufzustehen. »Mach dir keine Sorgen, Tante Del. Macon findet bestimmt einen Weg, wie man die Ordnung der Dinge wiederherstellen kann.« Ich hatte das Bedürfnis, das zu sagen, obwohl es offensichtlich war, dass Gatlin – und vielleicht die ganze Welt – in den Grundfesten erschüttert war.
Auch Lena war erschüttert.
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