Ein abenteuerliches Herz
zwei Freunden Jüngers – den Reedern Werner Traber, Chef der HAPAG , und Alfred Töpfer – geschrieben und sie gebeten, mir für die Zeitschrift doch zwei Anzeigen ihrer Unternehmen für 150 DM zu geben – Töpfer gab uns diese Anzeige für exakt 150 DM , Werner Traber schrieb mir, er könne und wolle seiner Anzeigenabteilung nicht ins Handwerk pfuschen, aber wenn mir mit einer Spende von 1000 DM gedient sei, solle ich das nur sagen, er würde mir dann einen Scheck schicken. Damit war die erste Nummer von TEXT+KRITIK gesichert – ihre ersten 1500 Exemplare, die mit Hilfe Gerd Hemmerichs (den ich ja durch Jüngers Korrespondenz kennengelernt hatte) in Flensburg für 778 DM gedruckt wurden; Lothar Baier holte die Hefte mit seinem Plastik-Lloyd selbst dort ab.
Dazu schrieb mir Jünger am 6. Februar 1963: »Wie ich sehe, haben Sie sich wegen Ihrer Pläne an viele meiner Bekannten gewandt. Ich hörte darüber von Traber, Klett, Töpfer, Plard und anderen. Offenbar stecken Sie viel Zeit, Arbeit und auch Kosten hinein, und hoffentlich ernten Sie keine Enttäuschungen. Bitte lassen Sie mich in dem Zusammenhang und besonders in Ihrer Zeitschrift unerwähnt. Sie würden sich damit auch nur schädigen, und dasselbe gilt von mir.« Und 14 Tage später, am 20. Februar 1963, auf einer Postkarte: »Sie machen ja tüchtige Fortschritte – bereits Verleger, während ich es nur bis zum Autor gebracht habe. Was die ›Schädigung‹ betrifft, so sind vor allem Ihre Aussichten zu bedenken – sind gleich abgestempelt, sobald mein Name fällt.« Und am 17. März 1963: »Über Ihre Zeitschrift möchte ich erst etwas sagen, wenn ich die Absicht kenne, die ihr zugrunde liegt und die sie von anderen unterscheiden soll. Offenbar legen Sie das Schwergewicht auf Kritik. Augenblicklich liest meine Frau die Aufsätze, aufmerksam. – In der Presse finde ich mich zuweilen mit dem Autor [Grass] konfrontiert, dem Sie das Heft gewidmet haben – so in dem anliegenden Ausschnitt [an den ich mich nicht mehr erinnere]. Ich sehe das ungern – denn wie kann man Antagonist von jemandem sein, den man nicht kennt. Meine Lektüre deutscher Bücher endet mit dem Jahre 1888, abgesehen von den Kursbüchern.« Ganz stimmte das nicht, denn immerhin schrieb er mir am 7. März 1964: »Im Austausch für Ihren Marcuse-Verriß lege ich Ihnen einen Grass-Verriß bei. Ich kam in dessen berühmter Trommel nur bis zu der Stelle, an der genau die Wurst geschildert wird, die ein S. A. -Mann in ein Schaufenster gesetzt hat – zum Mittag hatte er Linsen gehabt. Gut realistisch – warum aber, so fragte ich mich, soll gerade ein S. A. -Mann der Produzent gewesen sein? Das traue ich dem Autor mindestens ebenso zu.«
Mit Grass wollte Jünger ebenso wenig zu tun haben wie mit Hans Henny Jahnn, dem das zweite Heft von TEXT+KRITIK gewidmet war. Das war nicht sein Feld. Und als er mir nebenbei bei einem Besuch in Wilflingen mal sagte, ich würde in TEXT+KRITIK ja nur Schriftsteller vorstellen, die schon zu ihren Lebzeiten tot seien, war für mich eines klar: So schnell würde es kein Heft über ihn geben. Und so konzipierte ich außerhalb der Zeitschrift eine Festschrift zu seinem 70. Geburtstag: »Wandlung und Wiederkehr«, und überreichte sie ihm am 29. März 1965 in Wilflingen.
Meine Korrespondenz mit Jünger dünnte mit der Zeit aus, blieb aber bis in die 1980er Jahre kontinuierlich. Damals verschob sich ja auch das öffentliche Jüngerbild erheblich. Manche von denen, die Jünger in den 1960er Jahren noch als ›Nazi‹ beschimpften, der er nie war, und denen gegenüber ich Jünger stets verteidigte, wurden plötzlich zu seinen Verehrern und schrieben in jenen Blättern, die Jünger einst eben in die Nähe der Nationalsozialisten gestellt hatten, nun vom literarischen Solitär der Republik und vom Doyen der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Das befremdete mich; denn ich selbst war inzwischen in eine andere Richtung weitergegangen, hatte mich von manchem in Jüngers Werk und auch von manchen seiner Attitüden entfernt. Dennoch blieben wir freundlich miteinander, ich besuchte ihn in den späten 1970er und den frühen 1980er Jahren noch ein-, zweimal in Wilflingen. Und Anfang der 1980er bat er mich, seine Pour-le-Mérite-»Kiste« mit dem Archiv des Ordens, dessen letzter Überlebender und zugleich letzter Ordenskanzler er noch war, als alter Secretarius zu ordnen und zu archivieren – dazu kam es aus Termingründen nicht.
Als am 1. September
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