Ein Abenteurer und Gentleman (Historical My Lady) (German Edition)
selbstmitleidig, erwachte in ihr langsam echter Zorn.
Sicher, das alles konnte auch für ihn nicht sonderlich einfach sein. Aber wie konnte er es wagen zu glauben, dass es für sie ein einziger großer Jahrmarkt wäre? Hatte er nur eine Minute an sie gedacht, ehe er auf sein prächtiges Ross geklettert und aus dem Hof gestoben war? Sie bezweifelte es, bezweifelte es sogar sehr. Einzig Anweisung gegeben hatte er, sie zu wildfremden Leuten zu verfrachten.
„Weißt du, Tatiana, ich werde wohl dem Baron gegenüber äußerst kühl sein, wenn ich ihn das nächste Mal sehe“, verkündete sie zusehends entschlossen. „Vorgestern Abend war ich viel zu offen und ehrlich zu ihm. Zum einen hätte ich ihm niemals erlauben dürfen, mich in meinem Schlafgemach aufzusuchen, und dann hätte ich ihm nicht anvertrauen sollen, dass … Also, gar nichts hätte ich ihm anvertrauen sollen. Am Kai war ich so großartig, genau wie ich es geplant hatte, wie ich es mir ausgemalt hatte. Aber ich bin überhaupt nicht geübt in der Konversation mit einem Herrn; außer Luka und den wenigen, mit denen Tante Mimi mir bei Hofe zu tanzen erlaubte, kenne ich doch keine. Und die waren alle Freunde meines Vaters. Lord Wilde ist für mich eine gänzlich neue Erfahrung.“
Die Gesellschafterin nickte. „Das wundert mich nicht. Ich fragte mich schon, wann Sie aufhören zu grübeln und sich klarmachen, dass er Sie im Stich gelassen hat. Werden Sie auch ihm eine Kröte ins Bett stecken?“
Zu ihrer eigenen Überraschung biss Alina sich, peinlich berührt, auf die Unterlippe. „Nein, ich glaube, die Zeiten kindischer Racheakte sind für mich endgültig vorbei. Er nannte mich ‚Kind‘, weißt du? Ich bin kein Kind. Ich weiß nun, was es bedeutet, eine Frau zu sein, und muss mich auf meine neue … Stellung im Leben vorbereiten. Aber mir wird ganz bestimmt noch etwas einfallen, wie ich ihn bestrafen kann. Immerhin sagte er doch, wir sollten beginnen, wie wir fortzufahren gedenken. Und ich habe nicht die Absicht, so fortzufahren – mich irgendwo im Niemandsland abschieben zu lassen, wann immer es ihm einfällt.“
„Ah, gnädiges Fräulein … das, worüber wir neulich sprachen …“
„Ja?“ In jäher Beklommenheit setzte Alinas Herz einen Schlag aus. „Sag nicht, da gibt es noch mehr.“
Mit angestrengt gerunzelter Stirn, den Blick nach oben gerichtet, schien Tatiana die Frage zu überdenken. Sie machte ein paar seltsame, irritierende Handbewegungen, dann seufzte sie hörbar und sagte: „Nein, ich glaube, ich habe es richtig erklärt. Nur, ohne persönliche Erfahrungen …“
„Trotzdem danke ich dir, Tatiana. Wie auch immer, als der Baron mich aufsuchte, war ich nicht ganz auf der Höhe, aber das wird nicht wieder vorkommen.“
„Ja, gnädiges Fräulein, da bin ich genau Ihrer Meinung – falls er zurückkommt.“
Alina bedachte ihre Begleiterin mit einem scharfen Blick. „Laut Luka wird der Baron innerhalb einer Woche zu uns treffen. Und Luka lügt nicht.“
„Ah, aber spricht der Baron die Wahrheit?“, gab Tatiana zu bedenken, bevor ihr zu dämmern schien, dass sie diesen Gedanken besser für sich behalten hätte. „Ach, bestimmt tut er das, doch, ganz bestimmt. Und … und er ist sehr hübsch.“
Alina schnaubte abfällig. „Ja, das sagte er selbst auch, für den Fall, dass ich es nicht von alleine bemerkt habe vermutlich. Ein merkwürdiger Mann! Anscheinend macht er sich über sich selbst lustig, damit kein anderer sich der Mühe unterziehen muss. Warum nur? Lieber Himmel! Musste ich in den letzten Tagen nicht schon genug Neues lernen? Das Letzte, was ich möchte, ist, mich verpflichtet zu fühlen, den Mann zu verstehen.“
Plötzlich ging ein solcher Ruck durch die Kutsche, dass sie jäh auf den Boden geschleudert und von Tatianas schwerem Körper fast erdrückt wurde. Der Wagen war vom Kutscher offenbar abrupt zum Halten gebracht worden. Während sie zusah, wie Tatiana sich mühselig auf den Sitz zurückhievte, hört sie Luka rufen: „Das könnte ein Trick sein! Aufgepasst, Männer, und die Waffen bereit! Ich kümmere mich um die Comtesse!“
Alina streckte eine Hand nach der Türklinke aus, doch im selben Moment wurde der Schlag geöffnet, und Luka erschien in der Öffnung, seine Miene streng und noch starrer als sonst.
„Keine Sorge, Comtesse, da ist wohl ein Baum quer über den Fahrweg gestürzt. Die Männer werden ihn wegschaffen, dann geht es sofort weiter.“
„Kann ich aussteigen und zusehen?“, bat sie,
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