Ein allzu schönes Mädchen
brauchten einen Moment,
bis sie sich auf den dunkleren Innenraum eingestellt hatten.
Dann sah er den Mann. Er lag auf einem Sofa, das an der gegenüberliegenden Wand des Hauses stand. Eine Holztreppe führte ins
obere Stockwerk.
Der Mann hatte die Augen geschlossen. Er schien noch immer zu schlafen. Sein Gesicht war gut zu sehen. Ob er bewaffnet war,
ließ sich nicht feststellen.
Dann wurde dem Polizisten klar, dass er den Mann kannte. Er hatte sein Foto heute Morgen im Programm der internen Fahndung
gesehen. Instinktiv entfernte sich Steinwachs von der Scheibe. Er überlegte, was zu tun sei. Sie durften den Mann keinesfalls
wecken, bevor sie Verstärkung geholt hatten. Er beschloss, sich zunächst mit Toller abzusprechen. Er ging zurück auf die Vorderseite
des Gebäudes und winkte seinem Kollegen zu. Ein paar Meter vom Haus entfernt stellten sie sich hinter eine Baumgruppe. Ihr
Gespräch wagten sie nur im Flüsterton zu führen.
«Es ist Plöger», sagte Steinwachs.
«Wer?», fragte Toller.
«Er liegt dort drinnen auf dem Sofa und schläft. Hendrik Plöger. Er wird wegen der Morde im Stadtwald gesucht. Sein Foto war
heute Morgen im Fahndungsprogramm.»
«Bist du sicher?»
Steinwachs nickte.
«Heißt das, dass sich in diesem Haus ein Doppelmörder ausruht?», fragte Toller. «Dann müssen wir sofort zuschlagen.»
«Sie sind sich wohl noch nicht sicher. Wenn ich es richtig verstanden habe, könnte er sowohl ein Zeuge als auch der Täter
sein. Jedenfalls wird er dringend gesucht. Wir müssen sofort das Präsidium benachrichtigen.»
|291| «Papi, Papi.»
Die beiden Polizisten fuhren erschrocken herum. Sie hatten nicht bemerkt, dass sich Timo Schneider wieder in den Garten geschlichen
und sie belauscht hatte. Jetzt lief er auf das Tor zu und seinem Vater entgegen. «Papi, wir haben einen Mörder im Gartenhaus.»
Die Stimme des Jungen schallte über das gesamte Gartengelände. Toller und Steinwachs wechselten einen raschen Blick. Sie wussten,
was das zu bedeuten hatte. Auf Verstärkung zu warten, dafür war es jetzt zu spät. Höchstwahrscheinlich war Hendrik Plöger
durch den Lärm des Jungen geweckt worden. Sie würden unverzüglich handeln müssen. Gleichzeitig sahen sie Plögers schemenhaftes
Gesicht hinter der Fensterscheibe. Dann war es wieder verschwunden.
Toller ging hinter dem dicken Stamm einer Buche in Deckung. Er brachte seine Waffe in Anschlag. Er zielte direkt auf das Fenster.
«Hier spricht die Polizei. Kommen Sie langsam und mit erhobenen Händen aus dem Haus.»
Sie warteten einen Moment. Nichts geschah.
Toller wiederholte seine Aufforderung. «Herr Plöger, wir wissen, dass Sie dort drin sind. Das Haus ist umstellt. Sie haben
keine Chance.»
Steinwachs hatte sich dem Eingang genähert. Der Lauf seiner Pistole war auf die Tür gerichtet.
Dann hörten sie wummernde Schritte aus dem Innern des Gartenhauses. Das konnte nur heißen, dass Plöger die Holztreppe benutzt
hatte, um ins obere Stockwerk zu gelangen. Sie lauschten einen Moment. Alles war jetzt wieder still.
Toller verließ seine Deckung. Er duckte sich und rannte zu seinem Kollegen.
«Was jetzt?», fragte der.
«Wir müssen rein», sagte Toller.
Steinwachs hob die Augenbrauen.
|292| «Ich mache es», sagte Toller. «Geh du auf die Rückseite und pass auf, dass er dort nicht entwischen kann.»
Toller drückte die Türklinke. Dann presste er seinen Rücken dicht an die Hauswand. Er wartete ab. Das Hemd klebte an seinem
Oberkörper. Der Schweiß lief ihm über die Stirn und sammelte sich in den Augenbrauen. Mit dem Fuß öffnete er die Tür. Er machte
alles so, wie sie es auf der Polizeischule gelernt hatten. Mit einem Satz sprang er in den Eingangsbereich. Er brauchte nur
den Bruchteil einer Sekunde, um zu sehen, dass der Raum leer war.
Plöger hatte sich also wirklich in der oberen Etage verschanzt.
«Herr Plöger, geben Sie auf! Wir sind bereits im Haus. Kommen Sie langsam die Treppe herunter!»
Tollers Appell blieb ohne Reaktion.
Steinwachs war einmal um das Haus herumgegangen und hatte die zweite Etage inspiziert. An den beiden gegenüberliegenden Seitenwänden
gab es je ein Fenster. Beide waren geöffnet. Offensichtlich hatte Plöger vorgesorgt. Es gab keine Möglichkeit, beide Fenster
gleichzeitig zu überwachen. Er musste sich entscheiden. Sollte Plöger wirklich versuchen, auf diese Weise zu fliehen, konnte
er nur hoffen, auf der richtigen Seite des Hauses zu
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