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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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sagte er. «Und trotzdem: Ich verstehe nicht, wie jemand solche Bilder malen kann.»
    «Komm», sagte sie und hakte ihn wieder unter. «Lass uns gehen. Wir haben schwer gearbeitet. Wenn du so weitermachst, wirst
     du noch ein Kunsthistoriker.»
    Draußen überfiel sie die Hitze. Sie standen auf der breiten Treppe vor dem Städel und schauten über den Main, auf das Bankenviertel
     und den Dom. Sie überlegten, was sie jetzt tun sollten.
    «Wollen wir an den Fluss gehen?», fragte Tereza. «Es gibt dort unten einen Stand, wo man frisch gepressten Orangensaft bekommt.
     Wir setzen uns auf eine Bank und schauen den Schwänen zu. Was meinst du?»
    «Ja», sagte Marthaler. Aber er merkte, dass er unruhig war. Zum ersten Mal seit gestern Abend musste er wieder an den Fall
     denken. Er wusste, dass es mit den Bildern zusammenhing. Nicht nur die Gewalt auf den Bildern, die Francisco de Goya vor fast
     zweihundert Jahren gemalt hatte, erinnerte ihn an die Dinge, die im Stadtwald geschehen waren.
    «Was ist mit dir?» Tereza sah ihn besorgt an.
    «Na ja. Was wir gesehen haben, war ja nicht gerade erheiternd.»
    |327| «Aber es ist doch Kunst», sagte sie. «Es sind Bilder.»
    Marthaler schüttelte den Kopf. «Nein, das glaube ich nicht. Das ist nicht einfach Kunst. Es sind nicht nur Formen und Farben.
     Es hat auch etwas mit der Wirklichkeit zu tun. Sonst wäre es nicht gemalt worden.»
    Tereza schwieg einen Moment.
    «Ja», sagte sie. «Natürlich. Du hast Recht. Manchmal bin ich so gefangen.»
    Marthaler verstand nicht. «Gefangen?»
    «Sagt man nicht gefangen? Wenn man nur so in seinen eigenen Bahnen denkt.»
    «Befangen», sagte Marthaler. «Du meinst befangen.»
    Sie saßen schweigend nebeneinander. Keiner schien das Bedürfnis zu haben, das Schweigen zu brechen.
    «Es ist ein schöner Tag», sagte Tereza schließlich.
    Aber dann läutete Marthalers Mobiltelefon.

|328| Fünfunddreißig
    Es war Kerstin Henschel. «Robert? Wo bist du? Ich glaube, es wäre gut, du würdest kommen.»
    Marthalers Herz setzte einen Moment lang aus. «Was ist? Was ist passiert?»
    «Manfred hat gerade einen Anruf bekommen. Die Reiterstaffel. Es sieht so aus, als hätten sie Hendrik Plöger entdeckt.»
    «Bist du im Präsidium?»
    «Nein. Wir sind hier. In meiner Wohnung. Manfred Petersen ist bei mir.»
    Marthaler war irritiert. Aber er fragte nicht nach. «Haben sie ihn festgenommen?»
    «Nein. Er ist ihnen entwischt. Aber sie haben seine Spur. Er scheint sich noch immer im Bereich des Stadtwaldes aufzuhalten.
     Sie sind bereits mit mehreren Pferden unterwegs.»
    «Wo treffen wir uns?»
    «Wo bist du? Sollen wir dich abholen?»
    «Ja. Das wäre gut. Ich warte auf euch am Schaumainkai, Ecke Untermainbrücke. Wann könnt ihr da sein?»
    Marthaler hörte, wie die beiden sich absprachen.
    «In zehn Minuten.»
    «Gut.»
    Marthaler steckte das Telefon in die Tasche seines Jacketts. Tereza sah ihn an.
    «Es ist nicht schlimm», sagte sie, bevor er noch zu einer Erklärung ansetzen konnte. «Auf einen Polizisten kann man sich eben
     nicht verlassen.»
    «Leider», sagte er.
    Sie mussten gleichzeitig lachen.
     
    |329| Petersen stoppte seinen Wagen auf der rechten Spur. Sofort begannen die Autofahrer hinter ihm zu hupen. Marthaler öffnete
     die Tür und rutschte auf die Rückbank. Kerstin Henschel, die auf dem Beifahrersitz saß, drehte sich kurz zu ihm um, um ihn
     zu begrüßen. Sie wirkte verlegen.
    «Wo fahren wir hin?», fragte er.
    «Zum Wendelsweg», sagte Petersen. «Wir wissen selbst noch nichts Genaues. Carsten Berger hat mich angerufen. Einer seiner
     Reiter hat Plöger bei den Grillplätzen am Scheerwald entdeckt. Plöger hat sofort die Flucht ergriffen. Das ist alles. Jedenfalls
     war es eine gute Idee, die Reiterstaffel um Hilfe zu bitten.»
    Schweigend fuhren sie weiter.
    «Robert, vielleicht sollten wir dir erklären   …», sagte Kerstin Henschel. «Manfreds Freundin ist ausgezogen, und   …»
    «Nein», sagte Marthaler. «Das ist eure Sache.»
    Er wusste immer noch nicht, was er davon halten sollte. Egal, was sie ihm jetzt erzählen wollten, er hätte nicht gewusst,
     was er dazu hätte sagen sollen.
    Als sie am Wendelsweg ankamen, schaute Marthaler auf die Uhr. Es war kurz nach 13   Uhr am Samstag, dem 12.   August. Petersen parkte seinen Wagen direkt vor dem kleinen weißen Gebäude, in dem die berittene Polizei ihre Station hatte.
     Hinter dem Haus befanden sich die Stallungen für die Pferde und eine Koppel, auf der einige

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