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Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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vielleicht Ihr Vater? Oder Ihr Onkel?«
    Der Eigentümer starrt immer noch auf die Visitenkarte, und es dauert eine halbe Ewigkeit, bis er endlich antwortet: »Hippolyte Manceau war mein Ur-Ur-Großvater.«
    Der Concierge ist endlich soweit, und der passende Schlüssel dreht sich knirschend im verrosteten Schlüsselloch. Paul Bordier wagt kaum noch zu atmen. Die anderen fünf Männer — also der Nachbar, der Concierge, der Besitzer und die zwei Gendarmen — trauen sich keinen Schritt weiter. Bordier wird ungeduldig:
    »Sie veralbern mich, nicht wahr?«
    Doch dem Eigentümer ist wahrlich nicht danach zumute:
    »Hippolyte Manceau ist 1870 gestorben. In dem Jahr wurde ich geboren.«
    Die Tür steht jetzt offen. Man kann nichts erkennen. In der Wohnung ist es völlig dunkel, und der Concierge knurrt ziemlich ärgerlich:
    »Das auch noch! Kein Licht! Klar, nach fünfundzwanzig Jahren! Warten Sie, ich hole eine Petroleumlampe.«
    Paul Bordier ist fassungslos. Er steht an der Schwelle eines finsteren Lochs und hat auf einmal kein besonderes Bedürfnis mehr, hineinzugehen. Es ist alles so unheimlich still. Totenstill.
    Die Schritte des Hausmeisters hallen durch das Treppenhaus, und das grünlich flackernde Licht der Lampe geistert herauf. Doch vor der offenen Tür bleibt auch der Concierge stehen. Der Eigentümer faßt sich als erster:
    »Monsieur Dupuis, nun gehen Sie schon! Wir wollen nicht die ganze Nacht hier verbringen!«
    Das wäre dem Concierge anscheinend lieber, als in diese finstere, menschenleere Wohnung hineinzugehen... Da nimmt ihm der Vertreter der Familie Manceau die Lampe aus der Hand und geht entschlossen voran. Paul Bordier folgt ihm. Leichenblaß.
    Die staubbedeckten, bloßen Parkettböden knarren unter jedem Schritt. Die Tapeten hängen von den Wänden herab — überall Spinnweben. Der intensive Modergeruch, die stickige Luft sind unerträglich.
    Mit zitterndem Finger zeigt der Student auf die Flügeltür: »Dort... dort ist es... da ist der Salon!«
    Der Eigentümer schluckt:
    »Das stimmt.«
    »Und die Musikecke ist hinten rechts. Da steht ein Flügel, daneben eine Harfe und davor Sessel und Kanapees im Halbkreis.«
    »Ja, es ist alles so, wie Sie sagen. Wir Erben haben uns nicht einigen können und schließlich alles so stehenlassen, wie es war. Wir haben nichts verkauft, nichts verändert.«
    Er macht die Flügeltür zum Salon breit auf — und in der Tat, es steht wirklich alles da, wie Paul Bordier es geschildert hat! Der junge Student stürzt sich auf die Wand hinter dem Flügel:
    »Geben Sie mir die Lampe! Danke! Da... da schauen Sie! Alle Porträts hängen noch genauso wie vor einer halben Stunde!«
    »Wie vor fünfundzwanzig Jahren schon. Wir haben sie nicht einmal angefaßt. Nur die Sessel haben wir mit Schutzbezügen bedeckt.«
    »Hier! Das ist Hippolyte Manceau... und da! Seine Frau Clara!«
    Alle im Raum sind totenstill. Keiner bewegt sich. Paul läßt das flackernde Licht von einem Bild zum andern wandern. Die starren, lächelnden Gesichter tauchen nacheinander aus der Vergangenheit auf — verschwinden, und erscheinen wieder an der Wand im unheimlichen Schimmer des geisterhaften Lichtes.
    »Das sind Louise und Jules Fontain! Das ist Alfred Manceau, der Seminarist!«
    Die hohle Stimme des Besitzers sagt nur:
    »Mein Großonkel. Er war Missionar. Er ist in Afrika umgekommen.«
    »Adrien Manceau! Kadett an der Marineschule!«
    »Auch ein Großonkel von mir. Als er starb, war er Admiral.«
    »Edouard Manceau! Er studierte Jura.«
    »Das war mein Großvater. Er ist 1900 gestorben. Er war ein berühmter Rechtsanwalt.«
     
    Paul Bordier dreht sich um, bückt sich zu dem kleinen Leuchtertisch hinunter und schreit, als wolle er alle aus diesem Alptraum befreien:
    »Und da... sehen Sie! Da ist mein Feuerzeug!«
     

Der einsame Adler
     
    Noch vor einer Minute war Constance glücklich und unbekümmert. Jetzt zittert sie am ganzen Körper — von Panik ergriffen. Sie hat gerade einen Brief in ihrem Schulschrank gefunden — einen entsetzlichen Brief. Constance, die jüngste Tochter des US-Botschafters in Mexico, Dwight Whitney Morrow, ist 15 Jahre alt. Ihr Vater ist nicht nur einer der höchsten Beamten auf dem internationalen Parkett der Diplomatie, er ist auch sehr reich. Und so schickte er seine drei Mädchen natürlich in das berühmte und exklusive Milton-College in Massachusetts. Luxus »à l’americaine« für ausgewählte Töchter begüterter Familien der Ostküste: vornehm eingerichtete

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