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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Himmel – diese vergebliche Sehnsucht der menschlichen Seele nach dem Andersartigen, wo doch in den menschlichen Beziehungen alles ewig gleich ist, unverändert und unveränderlich!
    Sie hatten den Haushalt in Paul’s Landing aufgelöst. Mrs Tracy hatte verbittert und verärgert das Haus verkauft und war mit Upton nach Kalifornien gegangen. Laura Lou jedoch war geblieben, versöhnt und entzückt, und Vance war mit ihr nach New York gezogen … Konnte es nach außen hin einen größeren Wandel geben? Und dennoch wusste er nach einer Woche, dass alles beim Alten bleiben würde – und dass der Mittelpunkt und Quell dieser Eintönigkeit Laura Lou und ihr kleines, unwandelbares Ich waren …
    « Bei Blemers Buch hat man das Gefühl», dozierte einer der Burschen zwischen zwei Zügen an seiner Pfeife,«dass es so umwerfend unstet ist wie das Leben.»(«Das Leben unstet? O Gott!», dachte Vance.)«Nicht eine Folge von Szenen, die mit der verdammten, tödlichen Logik eines Puzzles ineinanderpassen, sondern eine trunkene Orgie von Zusammenhanglosigkeit …»
    « Nicht wie Fynes, oder?»(Vance dachte:«Letztes Jahr war Tristram Fynes ihr Idol», und schauderte ein wenig vor seiner eigenen Zukunft.)
    « Der arme, alte Fynes», griff ein anderer das Thema auf,« klang, als hätte er einen neuen Ton angeschlagen, weil er seine Figuren Dialekt reden lässt. An dem ist gar nichts neu – vielleicht hat er sich seine Masche bei Zola 77 abgeguckt. Wahrscheinlich sogar.»
    « Zola – wer ist denn das?», fragte jemand gähnend.
    « Ach, weiß nicht. Der französische Thackeray 78 , glaub ich.»
    « Hört mal, Kollegen, hat einer von euch jemals Thackeray gelesen?»
    « Seit Lytton Strachey 79 vermutlich niemand mehr.»
    « Na ja, ‹Globus› ist jedenfalls ein grandioses, großes Buch. Hey, Vance, siehst du das auch so?»
    Vance riss sich zusammen und blickte den Fragenden an.« Ich sehe das Leben nicht so. Das Leben ist immer gleich.»
    « Ach was! Ich glaube, du verwechselt das Leben mit Rebecca. Lass ihn mal eine Minute runter und die Beine ausstrecken, Becka, sonst schreibt er noch Bücher wie ‹Der Laden an der Ecke›.»
    Unter dem Schutz des allgemeinen Gelächters veränderte Vance seine Stellung und zündete sich eine Zigarette an.«Na gut», murmelte Rebecca Stram, legte ihr Modellierwerkzeug beiseite und ließ sich von ihm Feuer geben.
    « Das Leben immer gleich – immer gleich? Weit gefehlt, es ist eine Folge von Sprüngen im Dunkeln. So lautet jedenfalls das Mendel’sche Gesetz», schaltete sich ein angehender Kritiker in die Diskussion ein.
    « So? Wer ist denn Mendel? Noch ein neuer Romancier?»
    « Mendel? Nein. Das ist der, der das Prinzip der ökonomischen Arbeit erfunden hat. 80 Das heißt doch Mendelismus, oder?»
    « Oh, mich trifft der Schlag! Also, ihr Trottel: Mendel hat zur Zeit von Queen Victoria gelebt und herausgefunden, dass sich die Natur sprungweise weiterentwickelt. Er hat rausgekriegt, dass sie sich eigentlich wie ein Känguru bewegt. Bevor all die Darwins und Konsorten zu denken anfingen, hatte sie schon alles vorausgeplant, wie eine fürsorgliche Mutter 81 – oder wie Fynes die Handlung in seinen Romanen.»
    Fynes war zur allgemein anerkannten Zielscheibe des Spotts geworden, und so wurde diese Bemerkung mit weiterem Gelächter quittiert. Rebecca warf sich der Länge nach auf das Sofa mit den kaputten Sprungfedern und brummte:«Es ist zu dunkel, um weiterzuarbeiten. Wann kommst du wieder, Vance – morgen?»
    Vance zögerte. Laura Lou begann allmählich gegen die zahlreichen Sitzungen zu protestieren – argwöhnte vermutlich einen Vorwand, genau wie sie sich von ihrer Mutter hatte einreden lassen, seine Arbeit in The Willows sei ein Vorwand für die Treffen mit Mrs Tarrant gewesen. Ach, zum Teufel, wenn man alles abschütteln und frei sein könnte!«Ja, morgen», rief er laut und entschlossen, als könnte Laura Lou ihn hören und ihm seine Kampfansage übel nehmen … Als es mit den Sitzungen losgegangen war, hatte er sie gebeten, ihn ins Atelier zu begleiten.« Wenn die Stram dich sieht, wird sie dich modellieren wollen und nicht mich», hatte er gewitzelt, und ihr war die Röte befriedigter Eitelkeit in die Wangen geschossen. Aber als sie mitkam, nahm niemand von ihr Notiz, weder Rebecca noch die jungen Männer. Bloße Schönheit war bei Rebeccas Schar nicht gefragt, war für sie kaum sichtbar. Oder vielmehr, sie hatten die Schönheit mit einer neuen Formel definiert, in die Laura Lous

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