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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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man es ja vor so einer Veranstaltung macht … Deshalb sollen Sie lieber früh hierherkommen. Sie meint, Sie würden sicher verstehen …»
    Diese Mitteilung setzte Vance in Erstaunen. Er hatte schon einen kleinen Einblick in einige von Mrs Spears Hobbys und Schwärmereien erhalten, andere hatte Halo ihm mit amüsanten Worten geschildert – aber die Vorstellung, die Welt der Spears und seine Großmutter könnten etwas miteinander zu tun haben, tat sich so unerwartet vor ihm auf, dass er sich fragte, ob er vielleicht nichtsahnend seine Jugend mit einer überragenden Frau verbracht hatte. Mrs Spear war immer auf dem Laufenden darüber, was New York neuerdings dachte und sagte; Frensides zersetzende Ironie war ihr täglich Brot, kluge und gebildete Leute aller Art gingen bei ihr ein und aus, und sie war stets den modernsten Tendenzen auf der Spur. Vertraten also«Die Suchenden »eine Entwicklung, die bedeutend genug war, um jene Leute anzuziehen, von denen sie sich leiten ließ? Und war seine Großmutter tatsächlich die Prophetin eines neuen Glaubens? Er dachte an die Religion, die er als Junge«erfunden»hatte – der Glaube, dessen Originalität beim ersten Blick in die Werke der alten Philosophen zu Staub zerfallen war—, und fragte sich, ob die Offenbarung, für die er taub gewesen, seiner Großmutter durch einen Zufall zuteilgeworden war. Es war alles so verwirrend, dass er kaum Worte fand, seinen Dank und eine Entschuldigung wegen Laura Lou zu stammeln … Ob die Tarrants wohl auch da waren?, überlegte er. Und was hielt Halo von den«Suchenden»? Vor allem aber, was würde sie von Mrs Scrimser halten?
    Er hatte Halo nicht mehr wiedersehen wollen – eine Weile, bis sich der Sturm in seinem Innern gelegt hätte. Hatte sie recht gehabt, als sie ihn an jenem Abend davor warnte, etwas zu zerstören, was vollkommen sei? In seiner unbefriedigten Qual hatte er ihr beinahe geglaubt, aber mittlerweile hatte er begriffen, dass diese Qual schwerer wog als alles andere. Freundschaft … Liebe …? Wie hohl ihm solche eingrenzenden Wörter jetzt vorkamen! In Wirklichkeit enthielt sein Gefühl für Halo Freundschaft, Leidenschaft, Liebe, Sehnsucht, jeden Gedanken, jedes Gefühl, das sich nach Anblick und Berührung verzehrte und das eine Frau in einem Mann erwecken kann. Sie alle verschmolzen zu einer reichen, innigen Einheit; es war das Element, in dem alles andere in ihm lebte.«Was immer an Gedanken, Taten /Und Wonnen diesen Leib erregt», so hatte es der Dichter, den Elinor Lorburn liebte, vor langer Zeit zusammengefasst. 92

    Als er bei Mrs Spear ankam, führte ihn das Dienstmädchen in ein kleines Arbeitszimmer. Der Raum war so winzig, dass seine Großmutter, die dort wartete, riesig wirkte wie ein gewaltiges, ausladendes Götzenbild. Doch es gelang ihr, auf die Beine zu kommen; ihre Arme umschlangen ihn, und er versank in ihrer Wärme wie in einem lauen Meer. Wäre er ein Kind gewesen, hätte er jetzt geweint, so sehr roch sie nach Zuhause und der Seife aus der Mapledale Avenue!
    « O Vanny, Vanny – mein kleiner Vance … das ist wirklich Gottes Hand», sagte sie und drückte ihn an sich.
    Jäh zurückschreckend dachte er:«Früher hätte sie Gott nicht so krampfhaft ins Spiel gebracht …», als er plötzlich ein ergriffenes Murmeln im Rücken hörte und merkte, dass seine Großmutter, während sie ihn fest umschlossen hielt, Mrs Spear hatte ins Zimmer treten sehen.
    Vance’ Schreck war rasch überwunden; dennoch hinterließ das Erlebnis einen kleinen Flecken auf Mrs Scrimsers frischer Spontaneität. Sie war jetzt eine Prophetin, sich ihres Publikums bewusst.
    « Liebe Mrs Scrimser, verzeihen Sie, aber ich musste Ihre Begegnung einfach miterleben!»Mrs Spear seufzte mit vielsagenden Blicken und streckte Vance herzlich die Hand entgegen.
    Schon hörte man in der Diele die Gäste eintreffen; in der kleinen Wohnung drängten sich immer mehr Menschen. Die Tür des Arbeitszimmers öffnete sich, und herein kam Saidie Toler, anständig und farblos wie immer, begleitet von einer stattlichen, arg mitgenommenen Blondine, Mrs Lotus Mennenkoop, die gefühlvoll erklärte, sie müsse Vance sehen, bevor die Rednerin auf dem Podest Platz nehme …
    Die beiden kleinen Salons waren zusammengelegt worden und bereits überfüllt, als Vance hinten hineinschlüpfte. Vor ihm reihten sich eng gedrängt die Köpfe der«Suchenden»bis hin zu einem improvisierten Podest mit Wachskerzen und einem Tisch mit einer alten Brokatdecke. Vance

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