Ein altes Haus am Hudson River
Unternehmung auch nur der Schimmer eines Fehlschlags abzeichnete, lehnte Tarrant instinktiv jede Verantwortung dafür ab.
Sein häufiges Fernbleiben war für Vance eine Erleichterung. Wenn sie sich begegneten, fühlte Vance sich in Gegenwart des anderen unbehaglich, auch wenn sie meist nur ein paar Worte wechselten. Einem weniger arglosen Menschen wäre es leichter gefallen, den Ehemann der Angebeteten zu verachten, als freundlich mit ihm zu verkehren; aber Vance’ Meinung über Tarrant vermehrte noch seine seelische Qual. Es machte ihn kreuzunglücklich, dass Halo Tarrant ihr Leben mit jemandem verbrachte, für den sie dieselbe Geringschätzung empfinden musste, die Tarrant auch in ihm weckte, und seit seinem letzten Gespräch mit ihr, seit ihrem Satz«Ich will mir keinen Geliebten nehmen, solange ich einen Mann habe», dessen vielsagender Wohlklang noch immer in ihm nachhallte, hatten sich seine Gefühle für ihren Mann zu Abscheu verdichtet. Seine eigene Unzufriedenheit mit Tarrant spielte hierbei nur eine kleine Rolle, sie zeigte ihm allenfalls, an welche Art von Mensch Halo gekettet war, und er fragte sich verbittert, warum sie dieses Band als verpflichtend empfand. Bei ihm selbst lag der Fall anders; er war an Laura Lou durch ihre Hilflosigkeit und seine eigene Dummheit gebunden, und dieses Band war für ihn so heilig, dass er Halos Einwand sofort hatte gelten lassen. Er wusste, dass er seine Frau nicht der Geliebten wegen verlassen konnte; es war eine Unmöglichkeit, die er anerkannte und der er sich beugte. Aber Halos Situation war eine andere. Tarrant brauchte kein Mitleid, und welches andere Gefühl konnte sie an ihn binden?
Das alles war ein Knäuel aus Ungereimtheiten und Verzweiflung, aber seine familiären Probleme ließen ihm jetzt keine Zeit, darüber nachzugrübeln. Er war immer noch entschlossen, mit allen erdenklichen Mitteln zu verhindern, dass seine Großmutter ihre Vortragsreise fortsetzte; doch selbst wenn er sein Ziel nicht erreichte und sie weitermachte, wollte er keinesfalls von ihren Einkünften leben. Wie die Alternative auch aussehen mochte – und alle Alternativen schienen gleich hoffnungslos –, dieser Entschluss stand für ihn fest.
Kaum war seine Großmutter fort, beschloss er, den Verleger aufzusuchen, der ihn mit seinen Angeboten bedrängt hatte. Er brachte Laura Lou die hundert Dollar, freute sich kurz an ihrem herzerwärmenden Ausruf der Überraschung und ihrer Versicherung, sie habe noch nie einen so lieben Menschen gesehen wie seine Großmutter, dann machte er sich auf den Weg. Noch unter der Tür stieß er mit einem Boten der«Neuen Stunde»zusammen, der ein paar Zeilen von Rauch überbrachte. Tarrant wünsche ihn zu sprechen, es sei wichtig.«Kommen Sie so schnell wie möglich», stand im Postskriptum, und widerwillig schlug Vance den Weg zur Redaktion ein.
Bis zu diesem Augenblick war ihm nicht bewusst gewesen, wie zutiefst unangenehm es ihm sein würde, Tarrant wiederzusehen. Es blieb ihm keine Zeit, sich nach dem Grund für diese Vorladung zu fragen; der schiere physische Widerwille gegen die Nähe dieses Mannes überlagerte alle Mutmaßungen und erfüllte ihn bis obenhin mit Empörung darüber, dass er seinen Anordnungen zu gehorchen hatte.«Auch das muss ein Ende finden», dachte er – und dann fiel ihm ein, dass vielleicht die Verhandlungen dieses Mr Lambart erfolgreich gewesen waren und Tarrant, der sich der Spannungen zwischen ihnen ebenso bewusst war, ihn aus dem Vertrag entlassen wollte.
Dies trug ihn leichteren Schritts zur Redaktion, und er betrat das Chefbüro geradezu beruhigt. Es würde abscheulich sein, vor Tarrant zu stehen, ihn zu sehen, ihn zu hören – aber diese Prüfung wäre zweifellos bald überstanden.
Tarrant blickte sofort von seinem Schreibtisch auf. Es war einer jener Tage, an denen sein Gesicht wie eine vollkommen symmetrische Fassade wirkte, allerdings wie eine mit geschlossenen Fensterläden.«Setzen Sie sich», sagte er seufzend, und dann:«Wissen Sie was, Weston, Sie müssen demnächst irgendwo hinziehen, wo ich Sie telefonisch erreichen kann. Das ist ja eine Heidenarbeit, bis man Sie zu fassen bekommt, und Sie sind so unregelmäßig in der Redaktion …»
Vance’ Zuversicht schwand. Diese trockene, monotone Stimme war noch unangenehmer als erwartet. Er wusste kaum, welchen Teil von Tarrants Kampfansage er zuerst beantworten sollte, aber schließlich sagte er wenig überzeugend:«Ich kann außerhalb der Redaktion besser
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