Ein altes Haus am Hudson River
wusste aber, sie kam nicht mehr, weil er ihr den Lohn von mehreren Wochen schuldete, und als sie sagte:«Ich wär sowieso nie so weit rausgefahren, wenn mir Ihre Frau nicht so leidgetan hätte», nahm er diesen Rüffel kleinlaut hin, denn er war überzeugt, dass sie ihn damit an seine Schulden erinnern wollte.
Mit Einbruch der trockenen Kälte schien Laura Lou wieder aufzuleben, und eine Weile schafften sie es, den Haushalt gemeinsam zu erledigen, obwohl die Mahlzeiten immer kärglicher ausfielen und es selbst für Vance’ achtlosen Blick klar wurde, dass das Haus dringend einer Reinigung bedurfte. Wenn er die Kohlesäcke, die er jetzt am Ende des Feldwegs abholen musste, ins Haus schleppte, hinterließ er auf dem Boden eine Spur aus schwarzem Staub, die wegzuschrubben Laura Lou nicht die Kraft hatte, und die Erde war so hart gefroren, dass Vance den täglichen Abfall nicht mehr unten an der Obstwiese vergraben konnte, sondern in einem überquellenden Fass sammeln musste. All das war nebensächlich, als Laura Lou wieder im Haus zu singen begann, aber es machte ihn nervös, dass er seine Arbeit ständig unterbrechen musste, während er voller schöpferischer Energie steckte, und wenn er dann an seinen Schreibtisch zurückkehrte, saß er oft da und starrte mit leerem Blick auf ein leeres Blatt, in panischer Angst vor der Anstrengung, die ihm sein Gehirn bestimmt verweigern würde.
Doch heute, nach der Schufterei im Schnee, waren Hirn und Nerven ruhig. Er hätte gern mehr Kohlen in den Ofen geschüttet und sich dann zu einem langen Schlaf auf das kaputte Sofa ausgestreckt. Aber er musste die Küche für Laura Lou herrichten und danach … Immer gab es bei jeder Arbeit ein«danach», überlegte er ungehalten. Er lehnte die Schaufel gegen die Tür, stampfte den Schnee von den Füßen und ging hinein.
Laura Lou war nicht in der Küche. Es brannte noch kein Feuer, und für ihr einfaches Frühstück waren noch keine Vorbereitungen getroffen. Er rief nach ihr. Sie gab keine Antwort. Ein wenig verärgert dachte er an seine Plackerei im Schnee und dass sie währenddessen, warm in ihre Laken gehüllt, geschlafen hatte, und er öffnete die Schlafzimmertür. Sie lag da, wo er sie zurückgelassen hatte, den Kopf zur Wand gedreht und die Decken und seinen alten Mantel bis zum Kinn hochgezogen.
« Laura Lou!», rief er nochmals. Sie bewegte sich und drehte sich langsam zu ihm um.
« Was ist los? Ist dir schlecht?», stieß er hervor, denn auf ihrem Gesicht lag das gleiche schmerzliche Lächeln wie an dem Tag, als sie die rätselhaften Lappen ins Küchenfeuer gestopft hatte.
« Zeit zum Aufstehen?», fragte sie kaum hörbar flüsternd.
Er setzte sich aufs Bett und nahm ihre Hand, die papieren war und zitterte. Sein Herz begann besorgt zu klopfen.«Bist du zu müde zum Aufstehen?»
« Ja, ich bin müde.»
« Schau, Laura Lou …»Er sank auf die Knie und schob seinen Arm unter ihren mageren Rücken.«Warum bist du immer so müde?»Ihre Augen, die unverwandt auf die seinen gerichtet waren, weiteten sich wie die eines misstrauischen Tieres, und er zog sie an sich und flüsterte:«Ist es – ist es deshalb, weil du ein Baby bekommst?»
Sie zuckte in seinen Armen zusammen und zog sich ein wenig zurück, statt sich seiner Umarmung hinzugeben. Verstohlen fuhr sie sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, als wollte sie sie anfeuchten, bevor sie sprach.«Ein Baby?», wiederholte sie. Vance drückte sie noch fester an sich.
« Ich – wir werden es irgendwie schaffen, du wirst schon sehen! Es wird bestimmt wunderbar, meinst du nicht? Dann bist du auch weniger allein, Schatz», setzte er rasch hinzu, wahllos ein Wort ans andere reihend, um seinen wirren Gefühlsausbruch zu vertuschen.
Sie lehnte den Kopf zurück, zog ihre freie Hand unter den Decken hervor und schob ihm das Haar aus der Stirn.«Armer, alter Vanny», flüsterte sie.
« Hast du befürchtet, ich würde mich aufregen, wenn du es mir erzählst? Hast du deshalb …?»Sie verneinte mit einer schwachen Geste.
« Aber was war es dann, Liebes? Warum hast du es mir nicht gesagt?»
Wieder erschien das schmerzliche Lächeln auf ihren Lippen.« Das ist es nicht.»Sie blickte ihn so seltsam und spürbar mütterlich an, dass ihn ein Gefühl beschlich wie früher, wenn er als kleiner Junge mit seinen Ängsten zu seiner Mutter gelaufen war. Zum ersten Mal schien sich Laura Lou aus der Höhe überlegenen Wissens zu ihm herabzubeugen, und er fühlte sich durch ihren
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