Ein altes Haus am Hudson River
Haufen.› Und du hast es mir geschworen. Und dann saß ich hier und wartete und wartete – es war überhaupt das erste Mal, dass Upton eine Nacht von mir weg war, und ich wusste nicht einmal, wo er war. Und dann kam die zweite Nacht, und noch immer kein Zeichen von euch. Ich dachte, ich würde verrückt. Mein Leben hat einmal recht großartig begonnen, wie deine Familie dir sicher erzählt hat, aber inzwischen habe ich alles verloren außer meinen Kindern. Und als ihr beide gestern Abend heimgekrochen kamt, wusste ich sofort, wo du gewesen warst, was du getan – und wozu du Upton verführt hattest. Du bist nicht zum ersten Mal eine ganze Nacht weg gewesen, seit du hier wohnst, Vance Weston, aber wegen damals hätte ich nichts gesagt, wenn du nur Upton in Ruhe gelassen hättest. Jetzt ist es wohl besser, du schreibst deiner Familie, dass dir die Luft hier nicht bekommt. Hier ist das Geld, das mir dein Vater für die ersten vierzehn Tage geschickt hat. Nimm es.»
Sie hielt ihm das Geld mit zitternder Hand hin, und Vance nahm es, weil er in diesem Augenblick nicht gewagt hätte, sich einer Anweisung von ihr zu widersetzen. Außerdem verstand er, dass ihr das Geld zuwider war. Der Zorn dieses sanften Geschöpfes erschreckte ihn mehr als der Wutausbruch jedes Cholerikers. Wenn Mr Weston zornig war, putschte ihn das auf wie ein Cocktail; Mrs Tracys Zorn hingegen bescherte ihr sichtlich mehr Leid als Erleichterung, es war nur ein Jammer mehr in einem Leben, das ausschließlich aus Jammer bestand.«Wenn es sie kränkt, das Geld zu behalten, nehme ich es lieber», dachte er unsicher.
« Sie meinen, ich sollte heimfahren?», fragte er.
« Du solltest heimfahren», fauchte sie mit blutleeren Lippen.
« Verzeihung», war alles, was ihm einfiel. Das mit Upton war furchtbar ungerecht, aber der Junge war tatsächlich zwei oder drei Jahre jünger, und natürlich, wenn seine Mutter nicht Bescheid wusste …
« In Ordnung. Ich gehe, wenn Sie es wollen. Ist heute Montag oder Dienstag?»
« Dienstag, und fast schon Abendessenszeit», antwortete Mrs Tracy verächtlich.«Ich bin mir sicher, du hast deinen Schlaf genossen. »Sie nahm den Korb mit den Schoten und die Schüssel mit den geschälten Erbsen und ging in die Küche. Vance starrte ihr nach, aller Willenskraft beraubt. Es schien unglaublich, dass drei Nächte vergangen sein sollten, seit er und Upton so fröhlich zu dem Baseballspiel aufgebrochen waren. Der Gedanke an Zechereien war ihm immer zuwider gewesen – seit seinem ersten Collegejahr hatte er nicht mehr an so etwas teilgenommen. Sein Selbstekel schien am ganzen Körper zu haften, wie ein schlechter Geschmack im Mund oder der Geruch nach kaltem Tabak in der Kleidung. Was war nur aus dem Vance geworden, der den Bergsee besucht hatte und die Bibliothek in The Willows …
The Willows! Dieser Name brachte ihm plötzlich Mrs Tracys unheilschwangere Andeutung in Erinnerung. Was hatte sie damit gemeint, als sie sagte, er habe des alten Mr Lorburn Bücher genommen? Sie musste vor Sorge um Upton den Verstand verloren haben. Ja, er hatte die Bücher am Abend vor dem Baseballspiel in großer Unordnung zurückgelassen, das wusste er noch. Er hatte zurückgehen und sie aufräumen wollen, doch Lorry Spear hatte es ihm ausgeredet, hatte gesagt, es sei zu dunkel, und in diesem alten Haus dürfe man keine Kerze anzünden. Und nun war anscheinend der Hausbesitzer, der laut Miss Spear eigentlich niemals kam, unerwartet aufgetaucht und hatte dieses Durcheinander vorgefunden. Ja, das war seine Schuld, musste Vance gestehen; er hätte Miss Spear gern noch einmal aufgesucht und ihr das gesagt, bevor er heimfuhr. Aber Mrs Tracys bleiches, feindseliges Gesicht schien ihn aus dem Haus zu jagen, hinaus aus Paul’s Landing. Am einfachsten war es wohl, zu packen und sofort zu gehen – er wollte diesem Gesicht nicht noch einmal gegenübersitzen. Und Upton, diese niederträchtige Schlange, war sicher zu feige, um etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen, um seiner Mutter zu gestehen, dass die Hayes-Bande und die Cran-Mädchen alte Bekannte waren …«Nein, ich fahre sofort», dachte Vance.
Er ging nach oben in sein Zimmer, packte seine Sachen zusammen und quetschte den Stapel beschriebenes Papier noch dazu, dann lehnte er sich für einen Augenblick ans Fenster und blickte hinauf zu den Bergen. Dort oben, hinter dieser reglosen Masse aus Bäumen, lebte das Mädchen, mit dem er in eine andere Welt gewandert war. Er hätte sie gern
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