Ein altes Haus am Hudson River
Stock.« Und wo sind sie dann?»
Miss Spear ließ den Kopf sinken und wandte sich mit einer flehenden Geste von ihm ab.«Vance?»
« Welche Bücher?», fragte Vance wieder.
Mr Lorburn zog sich hoch, durchquerte schwankend und schräg das Zimmer und wies mit seinem Stock auf ein Regal, danach auf ein anderes. Dabei rasselte er eine Reihe langer Titel herunter, für Vance’ Ohren zu fremd, um sie zu behalten. Er hörte«seltene Americana»und wusste nicht, ob das der Titel eines Buches war oder eine literarische Gattung, die ihm noch nie untergekommen war. Schließlich sagte er:«Von keinem dieser Bücher habe ich jemals auch nur gehört. Warum in aller Welt hätte ich sie wegnehmen sollen?»
« Nie davon gehört?», zischte Mr Lorburn.«Dann muss dir ein sehr beschlagener Büchersammler eine Liste gegeben haben. »Er sah blass aus und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.«Oh, mein Herz – ich hätte mich nie in so etwas hineinziehen lassen dürfen.»Er setzte sich wieder, schloss die Augen und lehnte den Kopf an den geschnitzten Knauf der Stuhllehne.
Vance erschrak über seinen Anblick, merkte aber, dass Miss Spear ungerührt blieb. Noch immer heftete sie ihren bangen Blick auf ihn.«Versuch dich einfach zu erinnern, was genau geschah. »Sie sprach, als müsse sie ein Kind beruhigen.
Ihre Stimme war zu freundlich, zu mitleidig; ihm blieben die Worte im Hals stecken, und er spürte Tränen aufsteigen.«Natürlich habe ich keine Bücher weggenommen», wiederholte er.« Und ich bin nicht verschwunden – ich bin mit Upton …»
« Natürlich», sagte sie.«Aber die Bücher sind weg. Darum geht es. Leider sind es sehr wertvolle.»
« Die wertvollsten», warf Mr Lorburn dazwischen, die Augen noch immer geschlossen.
« Denk nach, Vance. Als du letzten Samstagabend 43 fortgingst, hast du da vielleicht vergessen, dieses Fenster zu schließen? »Sie zeigte auf das Fenster neben sich.
Diese präzise Frage brachte Klarheit in Vance’ Gedanken.« Nein. Ich habe alle Fenster und Fensterläden geschlossen, bevor ich ging.»
Sie schwieg, und er sah etwas wie Unsicherheit in ihrem Gesicht.«Denk bitte noch einmal nach. Am Sonntagmorgen stand dieses hier offen, und die Fensterläden waren von innen aufgehakt. Nachdem du fortgegangen bist, muss jemand hereingekommen sein und die Bücher mitgenommen haben, denn sie sind wirklich weg. Wir haben überall gesucht.»
Vance wiederholte:«Ich habe alle Läden zugehakt; ich bin mir ganz sicher. Und ich habe die Haustür verschlossen.»Er hielt inne, denn er entsann sich, dass Lorburn Spear bei ihm gewesen war, als er das Haus verließ.«Fragen Sie Ihren Bruder; der erinnert sich bestimmt.»
Noch während er sprach, fiel ihm etwas ein. Er hatte in der dunklen Diele auf Lorry Spear gewartet, als dieser in die Bibliothek zurückgegangen war, um nach seinem Zigarettenetui zu suchen. Es hatte lange gedauert, und während Vance wartete, hatte er irgendwo in der Ferne dieses rätselhafte Geräusch gehört, ein Geräusch wie ein sich öffnendes Fenster oder ein hin und her schlagender Fensterladen. Er hatte an Laura Lous kindische Angst gedacht, sie hinweggelächelt, und war trotzdem zurückgegangen, um nachzuschauen …
« Mein Bruder? Ja, ich weiß, er war bei dir», sagte Miss Spear etwas gereizt. Ihr Gesicht war ausdruckslos, kühl.«Er sagt, du hättest dich darum gekümmert, dass das Haus verschlossen ist.»
« Hat er denn nicht gesagt, dass ich alles zugesperrt habe?»
« Er kann sich nicht erinnern.»Sie schwieg, dann sagte sie hastig und entschieden:«Es muss jemand eingebrochen sein. Irgendjemand hat die Bücher weggenommen. Versuche dich zu erinnern, was geschah, als du fortgingst, versuche es noch einmal, Vance», forderte sie ihn in freundlicherem Ton auf.
Mr Lorburn saß noch immer mit geschlossenen Augen da und sah aus wie ein nach Luft schnappender Fisch. Er murmelte wieder:«Ich hätte mich nicht hineinziehen lassen sollen …», dann schwieg er.
Vance blickte Miss Spear fest an. Ihre Augen wanderten unschlüssig mal hierhin, mal dorthin, als wollten sie ihm ausweichen, dann badeten sie ihn plötzlich in flüssiger Zärtlichkeit. Zärtlichkeit überschwemmte ihn, umhüllte ihn, überredete ihn. Auf seinen Lippen lagen schon die Worte:«Nachdem wir die Bibliothek verlassen hatten, ging Ihr Bruder noch einmal allein zurück, und während er dort war, hörte ich, wie ein Fenster geöffnet wurde, oder glaubte es zu hören …»Du glaubtest es? Aber du
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