Ein amerikanischer Thriller
mit einer Karikatur: Jack mit
Dracula-Zähnen und einer Papstkrone.
Kemper hielt sich die Ohren zu – der Lärm der Menge
war fast nicht auszuhalten. Steinwürfe zerrissen das Plakat
– er hatte ein paar Jugendliche bezahlt, damit sie tüchtig
mitmischten.
Jack war gleich dran. Wegen der schlechten Akustik und
der Beschimpfungen der Hoffa-Leute würde die Rede wohl
kaum zu verstehen sein.
Das machte nichts – die Leute konnten ihn jedenfalls
sehen. Wenn Humphrey aufkreuzte, würde die Menge bereits
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auseinanderlaufen – in einigen Kneipen der Innenstadt wurde
Gratisschnaps ausgeschenkt.
Kemper-Boyd-Schnaps. Ein alter Kumpel hatte einen
Schenley-Laster überfallen und ihm die Ladung verkauft.
Die Straße war gerammelt voll. Ebenso die Bürgersteige.
Peter Lawford warf einer Gruppe von Nonnen Krawatten-
nadeln zu.
Kemper mischte sich unter die Menge und beobach-
tete das Rednerpult. Er bemerkte zwei völlig aus dem
Rahmen fallende Gesichter, die nur wenige Meter von-
einander entfernt waren: Lenny Sands und eine typische
Gangstervisage.
Der Gangster gab Lenny ein »Daumen-nach-oben«-Zeichen.
Lenny gab das Zeichen mit beiden Daumen zurück.
Lenny stand nicht auf der Payroll. Lenny hatte hier kei-
nerlei offiziel e Pflichten zu erledigen.
Der Gangster wandte sich nach rechts. Lenny drängte
sich links durch die Menge und verschwand in einer von
Mülltonnen gesäumten Gasse. Kemper folgte ihm. Fremde
Ellenbogen und Knie hinderten ihn am Vorwärtskommen.
High-School-Kids drängten ihn vom Bürgersteig. Lenny
unterhielt sich mit zwei Bullen.
Der Lärm der Menge verlor sich. Kemper kauerte hinter
einer Mülltonne und belauschte die drei.
Lenny wedelte mit einem Geldscheinbündel. Der eine
Bul e bediente sich vorsichtig. »Für zweihundert extra«, sagte
sein Kumpel, »können wir den Humphrey-Bus zum Stehen
bringen und ein paar Jungs herschaffen, die ihn niederbrül en.«
»Macht das«, sagte Lenny. »Wobei das ausschließlich auf
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Mr. G. geht, das brauchen die vom Wahlkampfkomitee nicht
zu wissen.«
Die Bul en schnappten sich das ganze Geld und verschwan-
den durch eine Seitentür. Lenny lehnte an einer Wand und
zündete sich eine Zigarette an.
Kemper ging auf ihn zu. »Na?« sagte Lenny, der Lässige.
»Na, rück mal raus mit der Sprache.«
»Womit?«
»Sag mir, was ich nicht weiß.«
»Was gibt’s da zu sagen? Wir sind beide Kennedy-Männer.«
Lenny verstand es zu taktieren. An Kaltblütigkeit nahm
er es mit jedem auf.
»Giancana hat auch in Wisconsin gezahlt. Stimmt’s? Mit
dem Geld, das Bobby dir gezahlt hat, hättest du nie solche
Auftritte zustande gebracht.«
Lenny zuckte mit den Schultern. »Sam und Hesh Ryskind.«
»Wer hat ihnen dazu geraten? Du?«
»Soviel hab’ ich nicht zu sagen. Das weißt du genau.«
»Spuck’s schon aus, Lenny. Du zierst dich, und das geht
mir auf die Nerven.«
Lenny drückte die Zigarette an der Wand aus. »Sinatra
hat mit seinem Einfluß bei Jack geprahlt. Er hat behauptet,
ein Präsident Jack wäre nicht der Jack aus dem McClellan-
Ausschuß, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Und darauf ist Giancana eingestiegen?«
»Nein. Ich glaube, daß Frank seinen Erfolg vor allem dir
zu verdanken hat. Was du an der Kubafront geleistet hast,
finden die al e echt gut, und da haben sie eben gemeint, wenn
du was für Jack übrig hast, kann der so übel nicht sein.«
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Kemper lächelte. »Ich will nicht, daß Bobby und Jack
davon erfahren.«
»Das will keiner.«
»Bis die Schulden eingetrieben werden.«
»Sam ist nicht jemand, der mit so was leichtfertig umgeht.
Und falls du mich an meine Schulden erinnern möchtest,
so sag’ ich dir gleich, daß ich in Sachen Pensionskasse nicht
das Geringste herausbekommen habe.«
Kemper hörte Schritte. Er sah Teamster zur Linken und
Teamster zur Rechten – kettenschwingende Männer, die an
beiden Enden der Gasse lauerten.
Sie hatten es auf Lenny abgesehen. Auf Lenny, den Klei-
nen, Lenny, den Juden, Lenny, den Kennedy-Gefolgsmann
– Lenny bemerkte sie nicht. Lenny, das Ekel, war zu sehr
auf seinen Auftritt als eiskalter Engel konzentriert.
»Wir bleiben in Verbindung«, sagte Kemper.
»Wir sehen uns in der Synagoge«, sagte Lenny.
Kemper ging raus und schloß die Seitentür zweimal hinter
sich ab. Er hörte Ketten rasseln und dumpfe Schlaggeräusche.
Lenny stöhnte nicht und schrie nicht. Kemper nahm die
Zeit auf seiner Uhr: Das Ganze dauerte eine
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