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Ein amerikanischer Thriller

Ein amerikanischer Thriller

Titel: Ein amerikanischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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mit einer Karikatur: Jack mit
    Dracula-Zähnen und einer Papstkrone.
    Kemper hielt sich die Ohren zu – der Lärm der Menge
    war fast nicht auszuhalten. Steinwürfe zerrissen das Plakat
    – er hatte ein paar Jugendliche bezahlt, damit sie tüchtig
    mitmischten.
    Jack war gleich dran. Wegen der schlechten Akustik und
    der Beschimpfungen der Hoffa-Leute würde die Rede wohl
    kaum zu verstehen sein.
    Das machte nichts – die Leute konnten ihn jedenfalls
    sehen. Wenn Humphrey aufkreuzte, würde die Menge bereits
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    auseinanderlaufen – in einigen Kneipen der Innenstadt wurde
    Gratisschnaps ausgeschenkt.
    Kemper-Boyd-Schnaps. Ein alter Kumpel hatte einen
    Schenley-Laster überfallen und ihm die Ladung verkauft.
    Die Straße war gerammelt voll. Ebenso die Bürgersteige.
    Peter Lawford warf einer Gruppe von Nonnen Krawatten-
    nadeln zu.
    Kemper mischte sich unter die Menge und beobach-
    tete das Rednerpult. Er bemerkte zwei völlig aus dem
    Rahmen fallende Gesichter, die nur wenige Meter von-
    einander entfernt waren: Lenny Sands und eine typische
    Gangstervisage.
    Der Gangster gab Lenny ein »Daumen-nach-oben«-Zeichen.
    Lenny gab das Zeichen mit beiden Daumen zurück.
    Lenny stand nicht auf der Payroll. Lenny hatte hier kei-
    nerlei offiziel e Pflichten zu erledigen.
    Der Gangster wandte sich nach rechts. Lenny drängte
    sich links durch die Menge und verschwand in einer von
    Mülltonnen gesäumten Gasse. Kemper folgte ihm. Fremde
    Ellenbogen und Knie hinderten ihn am Vorwärtskommen.
    High-School-Kids drängten ihn vom Bürgersteig. Lenny
    unterhielt sich mit zwei Bullen.
    Der Lärm der Menge verlor sich. Kemper kauerte hinter
    einer Mülltonne und belauschte die drei.
    Lenny wedelte mit einem Geldscheinbündel. Der eine
    Bul e bediente sich vorsichtig. »Für zweihundert extra«, sagte
    sein Kumpel, »können wir den Humphrey-Bus zum Stehen
    bringen und ein paar Jungs herschaffen, die ihn niederbrül en.«
    »Macht das«, sagte Lenny. »Wobei das ausschließlich auf
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    Mr. G. geht, das brauchen die vom Wahlkampfkomitee nicht
    zu wissen.«
    Die Bul en schnappten sich das ganze Geld und verschwan-
    den durch eine Seitentür. Lenny lehnte an einer Wand und
    zündete sich eine Zigarette an.
    Kemper ging auf ihn zu. »Na?« sagte Lenny, der Lässige.
    »Na, rück mal raus mit der Sprache.«
    »Womit?«
    »Sag mir, was ich nicht weiß.«
    »Was gibt’s da zu sagen? Wir sind beide Kennedy-Männer.«
    Lenny verstand es zu taktieren. An Kaltblütigkeit nahm
    er es mit jedem auf.
    »Giancana hat auch in Wisconsin gezahlt. Stimmt’s? Mit
    dem Geld, das Bobby dir gezahlt hat, hättest du nie solche
    Auftritte zustande gebracht.«
    Lenny zuckte mit den Schultern. »Sam und Hesh Ryskind.«
    »Wer hat ihnen dazu geraten? Du?«
    »Soviel hab’ ich nicht zu sagen. Das weißt du genau.«
    »Spuck’s schon aus, Lenny. Du zierst dich, und das geht
    mir auf die Nerven.«
    Lenny drückte die Zigarette an der Wand aus. »Sinatra
    hat mit seinem Einfluß bei Jack geprahlt. Er hat behauptet,
    ein Präsident Jack wäre nicht der Jack aus dem McClellan-
    Ausschuß, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Und darauf ist Giancana eingestiegen?«
    »Nein. Ich glaube, daß Frank seinen Erfolg vor allem dir
    zu verdanken hat. Was du an der Kubafront geleistet hast,
    finden die al e echt gut, und da haben sie eben gemeint, wenn
    du was für Jack übrig hast, kann der so übel nicht sein.«
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    Kemper lächelte. »Ich will nicht, daß Bobby und Jack
    davon erfahren.«
    »Das will keiner.«
    »Bis die Schulden eingetrieben werden.«
    »Sam ist nicht jemand, der mit so was leichtfertig umgeht.
    Und falls du mich an meine Schulden erinnern möchtest,
    so sag’ ich dir gleich, daß ich in Sachen Pensionskasse nicht
    das Geringste herausbekommen habe.«
    Kemper hörte Schritte. Er sah Teamster zur Linken und
    Teamster zur Rechten – kettenschwingende Männer, die an
    beiden Enden der Gasse lauerten.
    Sie hatten es auf Lenny abgesehen. Auf Lenny, den Klei-
    nen, Lenny, den Juden, Lenny, den Kennedy-Gefolgsmann
    – Lenny bemerkte sie nicht. Lenny, das Ekel, war zu sehr
    auf seinen Auftritt als eiskalter Engel konzentriert.
    »Wir bleiben in Verbindung«, sagte Kemper.
    »Wir sehen uns in der Synagoge«, sagte Lenny.
    Kemper ging raus und schloß die Seitentür zweimal hinter
    sich ab. Er hörte Ketten rasseln und dumpfe Schlaggeräusche.
    Lenny stöhnte nicht und schrie nicht. Kemper nahm die
    Zeit auf seiner Uhr: Das Ganze dauerte eine

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