Ein amerikanischer Thriller
Blumenstrauß entgegen. »Ich gehe
zur Inaugurationsfeier. In ein paar Tagen bin ich wieder da.«
Die Blumen übersah sie. »Das hab’ ich mir gedacht. Ich
habe keineswegs angenommen, daß du dir einen Smoking
anziehst, um mich zu beeindrucken.«
»Laura …«
»Ich bin nicht eingeladen worden. Einige meiner Nachbarn
schon. Sie haben zehntausend Dollar für Jacks Wahlkampf
gestiftet.«
Die Wimperntusche war völlig verschmiert. Ihr Gesicht
wirkte wie aus den Fugen geraten.
»In ein paar Tagen bin ich wieder da. Dann reden wir
über alles.«
Laura deutete auf eine Kommode. »In der obersten Schub-
lade liegt ein Scheck über drei Millionen Dollar. Wenn ich
mich für immer von der Familie fernhalte, gehört er mir.«
»Zerreiß ihn.«
»Würdest du ihn zerreißen?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
Sie hatte Nikotinflecke an den Fingern.
Überquellende Aschenbecher standen herum.
»Sie oder ich?« sagte Laura.
»Sie«, sagte Kemper.
553
Dritter Teil
Schweine
Februar bis November 1961
DOKUMENTENEINSCHUB: 7. 2. 61. Aktennotiz: Kem-
per Boyd an John Stanton. PERSÖNLICH/VERTRAU-
LICH IN VERSCHLOSSENER DOKUMENTENMAPPE
ZU ÜBERGEBEN.
John,
ich habe versucht, bei Kleinem Bruder und ein paar
zuständigen Mitarbeitern im Weißen Haus auf den
Busch zu klopfen, und muß zu meinem Bedauern
mitteilen, daß sich der Präsident, was unsere Inva-
sionspläne angeht, nach wie vor nicht entschließen
kann. So dringlich der Vorgang ist, er möchte sich
nicht festlegen. Offensichtlich will er zu Beginn sei-
ner Amtszeit nicht gleich eine derart schwerwiegende
Entscheidung treffen.
Direktor Dulles und Stellvertretender Direktor Bissell
haben dem Präsidenten und Justizminister Kennedy
ihren Standpunkt vorgetragen. Kleiner Bruder nimmt
an vielen wichtigen Besprechungen des Präsidenten
teil; er wird offensichtlich zum wichtigsten Berater
des Präsidenten. Er ist nach wie vor (zur Bestürzung
gewisser gemeinsamer Freunde) auf das organisierte
Verbrechen fixiert und zeigt sich an Kuba kaum inte-
ressiert. Meine Verbindungsleute haben mich wissen
lassen, daß ihn der Präsident bisher noch nicht über
unsere nun mehr erreichte Invasionsbereitschaft in-
formiert hat.
Das Lager in Blessington ist in Bereitschaftszustand.
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Die Rekrutenausbildung wurde ausgesetzt; seit dem
30. 1. 61 sind die vierundvierzig Kojen mit ausgebil-
deten Truppen belegt, die aus anderen Ausbildungs-
lagern zusammengezogen worden sind: Männer, die
eine Spezialausbildung in Kriegsführung (zu Land und
auf See) hinter sich haben. Sie stellen die Blessington-
Invasionsarmee dar. Pete Bondurant und Douglas Frank
Lockhart nehmen sie täglich scharf ran und haben die
hervorragende Moral der Truppe bestätigt.
Ich bin letzte Woche in Blessington gewesen, um vor
Mr. Bissells Inspektion am 10. 2. 61 den Bereitschafts-
zustand persönlich in Augenschein zu nehmen, und
freue mich, melden zu können, daß Pete und Lockhart
alles auf Hochform gebracht haben.
Die Landungsboote sind nun in getarnten Buchten
verankert, die von Mitgliedern von Lockharts Klan-
Truppe ausgebaut worden sind. Chuck Rogers hat Ra-
mon Gutiérrez einen Auffrischungsfluglehrgang erteilt,
damit er, im Sinne eines von Bondurant erdachten
Plans, als Castro-Flüchtling auftreten kann, der am
Invasionstag mit gefälschten castrofeindlichen Greu-
elaufnahmen in Blessington einfliegt, die wir als echt
an die Presse geben werden. Waffen und Munitions-
vorräte sind inventarisiert und voll einsatzbereit. Eine
halbe Meile vom Lager entfernt wird eine Bucht zum
Anlegen des Truppentransporters für die Blessington-
Invasionsstreitmacht ausgebaut. Der Hafen soll bis
zum 16. 2. 61 einsatzbereit sein.
Ich kann mich jetzt öfter in Florida aufhalten, was
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hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, daß mir die
Brüder die Legende abgenommen haben, an der ich
seit einem Jahr arbeite: Ich sei von Mr. Hoover gezwun-
gen worden, in der Gegend um Miami castrofeindliche
Gruppierungen auszuspähen. Der mir gegenwärtig
vom Justizministerium erteilte Auftrag (Überprüfung
von Fällen, in denen Neger das Stimmrecht verwei-
gert wurde) dürfte mich noch einige Zeit im Süden
festhalten. Ich habe ausdrücklich um den Auftrag
ersucht, weil ich damit in die Nähe von Miami und
Blessington komme. Kleiner Bruder hat mir den Job
vor allem gegeben, weil ich aus dem Süden stamme,
und mir erlaubt, mir selber auszusuchen, wo ich
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