Ein amerikanischer Thriller
studiert. Das Gebet hat
dich gelehrt, wen du hassen und wem du vergeben sollst.
Du hast die Todesanzeige in der Chicago Tribune gelesen:
Court Meade an plötzlichem Herzversagen gestorben. Hast
dich an vertrauten Orten umgesehen. Die Waisenhäuser, in
denen du aufgewachsen bist, erzeugen nach wie vor fleißig
Jesuitenroboter.
Du bist berechtigt, in Washington Bundesrecht zu prakti-
zieren. Den einen Notausgang hat dir Hoover offengelassen
– in seinem eigenen Hinterhof.
Der Umzug nach Osten hat dir neue Kraft geschenkt.
Doch deine Akte hat die Washingtoner Anwaltskanzleien
abgeschreckt, die neue Mitarbeiter suchten.
Auftritt Kemper. Umtriebiger Tausendsassa, der über gute
Kontakte zu alten Freunden aus der Autodiebszene verfügte.
Autodiebe haben ständig Bundesklagen am Hals und sind
immer wieder auf billigen Rechtsbeistand angewiesen.
Autodiebe geben dir gelegentlich Arbeit – genügend, um
dir eine Wohnung und drei Glas Schnaps pro Nacht leisten
zu können.
Kemper ruft an, um zu plaudern. Die Pensionskassenbücher
569
erwähnt er nicht. Einen Mann, der so weit oben steht, kannst
du nicht hassen. Einen Mann, der selber gegen Haßgefühle
derart immun ist, kannst du nicht hassen.
Er hat dir viel beigebracht. Das gleicht seinen Verrat aus.
Kemper bezeichnet seine Bemühungen im Kampf um
Bürgerrechte als »bewegend«. Noblesse oblige, die gleiche
billige Attitüde, die die Kennedys so herablassend an den
Tag legen.
Du haßt die von Joe Kennedy finanzierte Massenver-
führung. Deine Ziehväter haben dir zu Weihnachten ein
billiges Spielzeug gekauft. Joe hat seinen Söhnen die Welt
gekauft – mit verkrebstem Geld.
Das Beten hat dich gelehrt, Falschheit zu hassen. Das
Beten hat dich gelehrt, dir von niemandem etwas vorma-
chen zu lassen.
Du siehst das Gesicht des Präsidenten – und blickst hin-
durch. Du siehst, wie Jimmy Hoffa die Sun-Val ey-Anklagen
wegwischt – ein Reporter hat ungenügendes Beweismaterial
erwähnt.
Du verfügst über die Zahlen, die die Ungerechtigkeit
wiedergutmachen könnten. Du verfügst über die Zahlen, die
die Kennedy-Verführung zunichte machen könnten.
Du kannst die restlichen Eintragungen im Pensionskas-
senbuch entschlüsseln. Du kannst den Räuberbaron und
seinen Sohn, den priapischen Jungscharführer, als die ent-
larven, die sie sind.
Littel holte seine Kryptographie-Bücher hervor. Drei Gin
pro Nacht gaben ihm das Gefühl:
Du bist tief gefallen, aber zu allem fähig.
570
61
(Washington, D. C., 14. 3. 61)
Bobby sprach. Vierzehn Juristen hatten sich um ihn her-
umgesetzt und balancierten Notizbücher und Aschenbecher
auf ihren Knien.
Im Besprechungsraum zog es. Kemper hatte sich an die
Wand gelehnt und den Mantel um die Schultern gelegt.
Der Justizminister hatte eine schneidende Stimme – man
verstand ihn auch von weitem. Er hatte frei – der Flug nach
Alabama war wegen eines Sturms verspätet.
»Sie wissen, wieso ich Sie habe kommen lassen«, sagte
Bobby, »und Sie wissen, wie Ihr Auftrag lautet. Ich habe
seit der Inauguration Verwaltungskram erledigen müssen
und mich daher nicht mit dem entsprechenden Aktenmate-
rial befassen können, und Sie sollen daher auf eigene Faust
ermitteln. Sie sind die Sonderkommission für organisiertes
Verbrechen und wissen, was Sie zu tun haben. Und ich will
verdammt sein, wenn ich länger herumtrödele.«
Die Männer holten Notizblock und Bleistift hervor. Bobby
nahm rittlings vor ihnen Platz.
»Wir haben unsere eigenen Juristen und Detektive, und
ein Staatsanwalt, der sein Gehalt wert ist, kann ohnehin
jederzeit als Detektiv einspringen. Wir haben FBI-Agenten,
die wir bei Bedarf anfordern können, sofern es mir gelingt,
Mr. Hoover davon zu überzeugen, daß er seine Prioritäten
ein wenig verschiebt. Er ist immer noch der Meinung, der
571
Kommunismus stelle eine größere Gefahr dar als das or-
ganisierte Verbrechen, und das FBI zu einer verbesserten
Zusammenarbeit zu bewegen, wird eine unserer schwersten
Aufgaben sein.«
Die Männer lachten. »We shall overcome«, sagte ein ehe-
maliger McClellan-Bulle.
Bobby lockerte seine Krawatte. »Al erdings. Und unser flie-
gender Rechtsberater Kemper Boyd, der uns von den bil igen
Plätzen aus belauscht, wird die rassistischen Wahlrechtsprak-
tiken im Süden zu überwinden helfen. Ich werde Mr. Boyd
nicht auffordern, sich uns anzuschließen, weil Schmollen im
Winkel zu seinen Arbeitsmethoden gehört.«
Kemper
Weitere Kostenlose Bücher