Ein amerikanischer Thriller
kleinen
Morgenstärkung zitterte ihm der Rasierapparat in der Hand.
Ihm wollten keine Lügen mehr einfallen.
Bobby trug Hut und Sonnenbrille. Kemper hatte ihm na-
hegelegt, JM/Wave incognito zu besichtigen.
Der Justizminister mit dunklen Gläsern und einem schmal-
krempigen Hut. Der Justizminister als Möchtegern-Sinatra.
Sie schlenderten über das Gelände. Bobbys Tarnung zog
eigenartige Blicke auf sich. JM/Wave-Killer winkten ihm
im Vorbeigehen zu.
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Ihm wollten keine Lügen mehr einfallen.
Sie nahmen sich Zeit. Bobby dämpfte die berühmte Stim-
me zum Flüstern. Ein paar Kubaner erkannten ihn und
spielten mit.
Die Propaganda-Abteilung war Kempers Hauptattrakti-
on. Ein diensthabender Offizier ratterte die Statistiken her-
unter. Daß man Jack Kennedy für einen unentschlossenen
Schwächling hielt, behielt jeder für sich. Keinem entfuhr ein
Gangstername. Keiner ließ durchblicken, daß er Kemper Boyd
bereits aus der Zeit vor der Schweinebuchtinvasion kannte.
Bobby mochte die Luftaufklärungsaufnahmen. War vom
Kommunikationsraum beeindruckt.
Ihm wollten keine Lügen mehr einfallen. Die Einzelheiten
ließen sich nicht mehr sinnvoll in Zusammenhang bringen.
Sie sahen sich die Kartenabteilung an. Chuck Rogers
steuerte, aufgekratzt und munter, auf sie zu. Kemper führte
Bobby weg.
Bobby ging aufs Klo und stürmte wütend wieder heraus.
Jemand hatte Kennedy-feindliche Bemerkungen übers Pissoir
gekritzelt.
Sie gingen zur Cafeteria der Universität von Miami. Bobby
lud ihn zu Kaffee und Kuchen ein.
Kemper zwang sich zum Stil sitzen – das Dexedrin schlug
besonders heftig zu.
Bobby räusperte sich. »Sie können laut sagen, was Sie
denken.«
» Wie bitte? «
»Geben Sie zu, daß Sie die Küstenüberfälle und nachrich-
tendienstlichen Ermittlungen leid sind. Fordern Sie mich zum
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dreihundertsten Mal auf, einem Attentat auf Fidel Castro
zuzustimmen.«
Kemper lächelte. »Ich meine, wir sollten ein Attentat auf
Fidel Castro verüben lassen. Und Ihre Antwort werde ich
auswendig lernen, damit Sie sie nicht andauernd wiederholen
müssen.«
»Meine Antwort ist Ihnen bekannt«, sagte Bobby. »Ich
hasse überflüssige Worte, und ich hasse diesen Hut. Wie
kommt Sinatra damit zurecht?«
»Er ist Italiener.«
Bobby wies auf ein paar Studentinnen in kurzen Shorts.
»Gibt es hier keine Bekleidungsvorschriften?«
»Doch. Sowenig anziehen wie möglich.«
»Das wäre was für Jack. Er könnte vor dem Studenten-
körper eine Rede halten.«
Kemper lachte. »Schön, daß Sie etwas toleranter gewor-
den sind.«
»Etwas differenzierter vielleicht.«
»Um desto entschiedener verurteilen zu können?«
»Gut gegeben.«
Kemper nippte an seinem Kaffee. »Mit wem trifft er sich?«
»Mit einem Flittchen. Einer Sängerin und Tänzerin, die
ihm Lenny Sands vorgestellt hat.«
»Wer ist schon kein Flittchen?«
»Für eine billige Tänzerin ist sie zu intelligent.«
»Sie haben sie kennengelernt?«
Bobby nickte. »Lenny hat sie zu einer Party bei Peter
Lawford in Los Angeles mitgebracht. Für mein Empfinden
kann sie ein bißchen schneller denken als die meisten Leute,
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und Jack ruft mich hinterher immer aus dem Carlyle an, um
mir zu erzählen, wie klug sie ist, eine Eigenschaft, die Jack
üblicherweise bei Frauen nicht auffällt.«
Lenny, Twist, L. A. – eine eigenartige kleine Dreierkom-
bination.
»Wie heißt sie?«
»Barb Jahelka. Jack hat heute früh bei ihr angerufen. Da
war es in Los Angeles 5 Uhr früh, und selbst da brachte sie
es fertig, gescheit und lustig zu wirken.«
Gestern abend hatte ihn Pete aus L. A. angerufen. Eine
Frau hatte »Let’s Twist Again« gesummt.
»Was mögen Sie an ihr nicht?«
»Vielleicht einzig und allein, daß Sie sich anders aufführt
als die meisten von Jacks Quickies.«
Pete war ein Erpresser. Lenny ein Show-Business-Reptil
aus Los Angeles.
»Halten Sie sie für irgendwie gefährlich?«
»Eigentlich nicht. Ich bin bloß mißtrauisch, weil ich der Jus-
tizminister der Vereinigten Staaten bin und Mißtrauen nun mal
zu meinem Beruf gehört. Was interessiert Sie das? Wir haben
der Frau nun zwei Minuten mehr gewidmet, als sie verdient.«
Kemper zerdrückte seinen Kaffeebecher. »Ich wollte nur
von Fidel ablenken.«
Bobby lachte. »Gut. Und nein, Sie und ihre exilkubani-
schen Freunde dürfen ihn nicht umlegen.«
Kemper stand auf. »Wollen Sie sich noch ein bißchen
umsehen?«
»Nein. Ich werde abgeholt. Soll ich
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