Ein amerikanischer Thriller
Mißtrauen war der Auslöser gewesen.
Sein Südstaatenakzent war ihm ein einziges Mal entglitten
– und schon hatte Bobby aufgemerkt.
Kemper fuhr durch South Miami. Er begann das Spiel,
indem er feststellte, wem was bekannt war.
Mr. Hoover wußte alles . Die »Kündigung« von Special
Agent Boyd war durch jede Menge FBI-Papierkram gedeckt:
Sollte Bobby da nach Bestätigungen suchen, würde er sie
reichlich finden.
Claire wußte Bescheid. Sie dachte nicht im Traum daran,
über seine Motive zu urteilen oder ihn zu verraten.
Ward Littel wußte von der Kampagne gegen die Kennedys.
Sehr wahrscheinlich behagte sie ihm nicht – denn er zeigte
sich von Bobbys Eifer bei der Verbrechensbekämpfung tief
beeindruckt. Aber Ward hatte sich an dem Lauschangriff
beteiligt und war durch die Darleen-Shoftel-Abhöraffäre
kompromittiert. Wenn er da ein schlechtes Gewissen hatte,
wurden die Schuldgefühle durch seine Dankbarkeit für die
Versetzung zum THP mehr als ausgeglichen.
Ward wußte nicht, daß Pete Bondurant Anton Gretzler
getötet hatte; Ward wußte nicht, daß Mr. Hoover den Mord
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deckte. Bondurant erfüllte Ward mit Schrecken – was, an-
gesichts von Big Pete und der Legenden, die ihn umgaben,
eine gesunde Reaktion war. Die Bondurant-Affäre mußte
Ward unter allen Umständen verborgen bleiben.
Bobby wußte, daß er für Jack den Zuhälter machte, indem
er ihn mit Telefonnummern williger alter Flammen versorgte.
Dann wechselte er zum Frage- und Antwortspiel: eine
Übung, um skeptische Fragen abzuwehren.
Bobby meint, ich gehe den Spuren im Fal Anton Gretzler
nach. In Wirklichkeit beschütze ich den Privatschläger von
Howard Hughes.
Frage: Du scheinst darauf versessen, dir Zutritt zum in-
nersten Kreis der Kennedys zu verschaffen.
Antwort: Ich wittere einen, der im Kommen ist, aus je-
der Entfernung. Daß ich mich mit Demokraten gutstellen
möchte, stempelt mich nicht zum Kommunisten. Der alte Joe
Kennedy steht praktisch genauso weit rechts wie Mr. Hoover.
Frage: Mit Jack bist du sehr schnell »gut ausgekommen«.
Antwort: Wenn die Umstände etwas anders gewesen wären,
hätte ich Jack sein können.
Kemper warf einen Blick in sein Notizbuch.
Er mußte bei Tiger Kab reinschauen. Er mußte nach
Sun Valley und mit dem Zeugen reden, der gesehen hatte,
wie der »große Mann« in der Nähe der Schnellstraße das
Gesicht weggedreht hatte, und ihm Fahndungsfotos vorlegen.
Er würde ihm alte Fahndungsfotos präsentieren – die mit
Bondurants jetzigem Aussehen wenig Ähnlichkeit hatten.
Er würde auf eine negative Antwort drängen: Diesen Mann
haben Sie aber nicht gesehen, oder?
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Ein tigergestreiftes Taxi drängte sich vor ihm in die Spur.
Weiter unten an der Straße konnte er eine gelbschwarze
Baracke sehen.
Kemper hielt an und parkte auf der anderen Straßenseite.
Ein paar Nichtsnutze am Straßenrand witterten BULLE und
machten, daß sie wegkamen.
Er trat in die Baracke. Er lachte laut – die Tapeten waren
aus neuem Baumwollsamt mit gelbschwarzem Tigermuster.
Vier Kubaner in Tigerhemden standen auf und stellten
sich um ihn herum. Der Kreis der Tigermänner wurde enger.
Ein Mann zog ein Klappmesser heraus und schabte sich mit
der Klinge den Hals.
Die anderen Tigermänner lachten. Kemper stel te sich vor
den, der ihm am nächsten war. »Haben Sie den gesehen?«
Der Mann reichte das Fahndungsfoto weiter. Jeder signa-
lisierte deutlich Wiedererkennen und sagte: »Nein.«
Kemper nahm das Foto an sich. Auf dem Bürgersteig fiel
ihm ein Weißer auf, der seinen Wagen überprüfte.
Der Mann mit dem Messer drängte sich an ihn ran. Die
übrigen Tigermänner kicherten. Der Messermann ließ die Klin-
ge genau vor den Augen des Gringos durch die Finger wirbeln.
Kemper verabreichte ihm einen Karatehieb. Kemper trat
ihm die Knie unter dem Körper weg. Der Mann stürzte
rücklings zu Boden und ließ das Messer fallen.
Kemper griff sich die Waffe. Die Tigermänner waren
zurückgewichen. Kemper trat auf die Messerhand des Mes-
sermannes und stieß die Klinge hinein.
Der Messermann schrie. Die übrigen Tigermänner schnapp-
ten nach Luft und schnatterten aufgeregt durcheinander.
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Kemper verabschiedete sich mit einer eleganten kleinen
Verbeugung.
Er fuhr auf der 1-95 nach Sun Valley. Eine graue Limousine
blieb dicht hinter ihm. Er wechselte die Spur und gab Gas
– der Wagen folgte ihm in klassischer Beschattungsdistanz.
Kemper nahm eine Ausfahrt. Sie
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