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Ein amerikanischer Thriller

Ein amerikanischer Thriller

Titel: Ein amerikanischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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wurde von einer tristen
    Provinzhauptstraße gekreuzt – mit vier Tankstellen und ei-
    ner Kirche. Er entschied sich für die Texaco-Tankstelle und
    stellte den Wagen ab.
    Er ging ins Herrenklo. Er beobachtete, wie der Verfol-
    gerwagen langsam zur Tanksäule rollte. Der Weiße, der bei
    Tiger Kab herumgelungert hatte, stieg aus und sah sich um.
    Kemper zog die Tür zu und griff nach der Waffe. Der
    Raum war verdreckt und stank.
    Er zählte die Sekunden. Bei 51 hörte er Schritte.
    Der Mann öffnete vorsichtig die Tür. Kemper riß ihn
    herein und preßte ihn an die Wand.
    Er war um die Vierzig, hatte sandfarbenes Haar, eine
    schlanke Figur. Kemper tastete ihn von den Knöcheln auf-
    wärts ab.
    Keine Erkennungsmarke, keine Waffe, kein Kunstlederetui
    mit Dienstausweis.
    Der Mann blieb ungerührt. Der Mann ignorierte den
    Revolver vor seinem Gesicht.
    »Ich heiße John Stanton«, sagte der Mann. »Ich vertrete
    eine US-Behörde und möchte mich mit Ihnen unterhalten.«
    »Worüber?«
    »Kuba«, sagte Stanton.
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    (Chicago, 11. 12. 58)
    Spitzelkandidat bei der Arbeit: »Jewboy Lenny« Sands beim
    Spielautomatenleeren.
    Littel blieb ihm auf den Fersen. Sie klapperten sechs Hyde-
    Park-Kneipen in einer Stunde ab – Lenny arbeitete schnell.
    Lenny kibitzte. Lenny riß Witze. Lenny verteilte Mi-
    nifläschchen Johnnie Walker Red Label. Lenny erzählte die
    Geschichte von Come-San-Chin, dem chinesischen Schwanz-
    lutscher – und sackte die Münzen in sieben Minuten ein.
    Lenny merkte nicht, daß er beschattet wurde. Lenny hatte
    im Top-Hoodlum-Programm Sonderstatus: Nachtclub-En-
    tertainer, Abzocker für die Kubaner und Mob-Maskottchen.
    Lenny fuhr zur Tillerman’s Lounge. Littell parkte und
    folgte ihm nach 30 Sekunden.
    Der Raum war überheizt. Ein Barspiegel zeigte ihm sein
    Ebenbild: Holzfällerjacke, Khakihosen und Arbeiterstiefel.
    Er sah nach wie vor wie ein Universitätsprofessor aus.
    Die Wände waren mit Teamsterinsignien geschmückt. Ein
    gerahmtes Hochglanzfoto stach hervor: Jimmy Hoffa und
    Frank Sinatra beim Hochheben einer Fischtrophäe.
    Arbeiter standen für warmes Essen an. Lenny saß an einem
    der hinteren Tische, in der Gesellschaft eines untersetzten
    Mannes, der ein Cornedbeef-Sandwich in sich hineinschlang.
    Littel identifizierte ihn: Jacob Rubenstein alias »Jack Ruby«.
    Lenny hatte seine Beutel mit Münzen dabei. Ruby einen
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    Koffer. Wahrscheinlich fand hier die Übergabe des Automa-
    tengelds statt.
    Ringsum war kein Tisch frei.
    Die Männer an der Bar nahmen ihren Lunch in flüssiger
    Form und im Stehen zu sich: Whiskey und ein Bier für den
    Durst. Littel forderte stumm das gleiche – und keiner lachte
    oder verzog das Gesicht.
    Der Barmann stellte ihm die Getränke hin und nahm
    das Geld. Er kippte das Mittagessen hastig runter – genau
    wie seine Teamsterbrüder.
    Der Whiskey brachte ihn ins Schwitzen; vom Bier bekam
    er Gänsehaut. Die Kombination war gut für die Nerven.
    Er war erst bei einem einzigen THP-Treffen dabeigewesen.
    Die Männer schienen ihn nicht zu mögen – hatte ihn doch
    Mr. Hoover persönlich in die Mannschaft geholt. Nur ein
    Agent namens Court Meade war nett zu ihm; die anderen
    grüßten ihn mit Nicken und flüchtigem Händedruck.
    Das war sein dritter Tag als THP-Agent. Einschließlich
    dreier Schichten in der Abhörstation, wo er die Stimmen
    der Chicagoer Unterwelt studierte.

Der Barmann kam vorbei. Littell hob zwei Finger – ge-
    nauso bestellten seine Teamsterbrüder den Nachschub.
    Sands und Ruby sprachen weiter. Kein Platz in der Nähe
    frei – er konnte nicht dicht genug ran, um sie zu belauschen.
    Er trank aus und zahlte. Der Schnaps stieg ihm gleich
    zu Kopf.
    Alkohol während der Dienstzeit verstieß gegen die Vor-
    schriften. Obwohl es nicht geradezu il egal war – wie Bumsab-
    steigen belauschen, um Politiker reinzulegen.
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    Der Agent, der auf dem Shoftel-Lauschposten saß, war
    wohl überlastet – denn er hatte ihm bisher kein einziges Band
    zugestellt. Mr. Hoovers Haß auf die Kennedys schien krank.
    Robert Kennedy schien ein Held. Bobbys Freundlichkeit
    gegenüber Roland Kirpaski ehrlich und echt.
    Ein Tisch wurde frei. Littell drängte sich durch die Mit-
    tagessens-Schlange und setzte sich, Lenny und Rubenstein/
    Ruby saßen kaum einen Meter von ihm entfernt.
    Ruby sprach. Essen bröckelte ihm auf die Serviette.
    »Heshie denkt ständig, er habe Krebs oder irgendeine
    verkackte Krankheit. Für Heshie ist jeder Pickel gleich

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