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Ein amerikanischer Thriller

Ein amerikanischer Thriller

Titel: Ein amerikanischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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ein
    bösartiges Geschwür.«
    Lenny knabberte an einem Sandwich. »Heshie hat Klas-
    se. Als ich ’54 in der Stardust Lounge aufgetreten bin, hat
    er sich keinen einzigen Abend entgehen lassen. Heshie hat
    richtige Entertainer immer mehr gemocht als die Stars der
    großen Bühnen. Da kannst du Jesus Christus und sämtliche
    Apostel auf die Bühne des Dunes’ stel en, Heshie geht in die
    Spelunke, um sich einen unbekannten Sänger anzuhören, weil
    der einen Cousin hat, der was zählt in Geschäftskreisen.«
    »Heshie steht auf Schwanzlutschen«, sagte Ruby. »Er läßt
    sich überhaupt nur noch einen blasen, weil das, wie er sagt,
    gut für die Prostata ist. Er hat sein Schnitzel nicht mehr
    paniert, seit er in den dreißiger Jahren bei den Purples war
    und ’ne Schickse versucht hat, ihm eine Vaterschaftsklage
    anzudrehen, das hab’ ich von ihm selber. Ich weiß von Heshie
    persönlich, daß er sich über zehntausendmal hat ablutschen
    lassen. Dabei sieht er sich gern die ›Lawrence Welk Show‹ an.
    Er hält sich neun Ärzte für all die Krankheiten, an denen er
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    zu leiden glaubt, und läßt sich von allen Krankenschwestern
    einen blasen. So hat er erfahren, daß es seiner Prostata gut
    tut.«
    »Heshie« – das war wahrscheinlich Herschel Meyer Rys-
    kind: »im Heroinhandel der Golfküste aktiv«.
    »Jack«, sagte Lenny, »es ist mir nicht recht, daß ich dir
    all die Münzen aufhalse, aber ich habe es nicht mehr zur
    Bank geschafft. Sam hat mir keine Wahl gelassen. Er mein-
    te, du wärst gerade unterwegs und hättest nur beschränkt
    Zeit. Ich bin froh, daß wir zusammen einen Happen essen
    konnten, denn dir beim Essen zuzusehen, ist mir immer
    ein Genuß.«
    Ruby wischte sich den Mund ab. »Du solltest mich mal
    erleben, wenn das Essen besser ist. In Dallas gibt es ein
    koscheres Deli, für das Essen könnt’ ich sterben. Guck dir
    die paar Spritzer auf meinem Hemd an. In dem Laden sieht
    das hinterher aus, wie mit der Spritzpistole bearbeitet.«
    »Für wen ist das Geld?«
    »Für Batista und den Bart. Santo und Sam wollen poli-
    tisch nichts falsch machen. Ich fliege nächste Woche runter.«
    Lenny schob den Tel er weg. »Ich hab eine neue Nummer,
    wo Castro in die Staaten kommt und einen Job als Beatnik-
    Dichter kriegt. Er zieht sich Marihuana rein und spricht wie
    ein Schwarzer.«
    »Du gehörst auf die große Bühne, Lenny. Das hab ich
    immer gesagt.«
    »Sag’s weiter, Jack. Wenn du’s immer wieder sagst, hört
    vielleicht jemand zu.«
    Ruby stand auf: »Du, man kann nie wissen.«
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    »Genau, man kann nie wissen. Schalom, Jack, ist mir
    immer ein Genuß, dir beim Essen zuzusehen.«
    Ruby ging mit dem Koffer raus. Jewboy Lenny zün-
    dete sich eine Zigarette an und verdrehte die Augen gen
    Himmel.
    Nachtclubnummern. Schwanzlutschen. Schnaps und Bier
    zum Mittagessen.
    Littell ging beschwingt zum Wagen zurück.
    Lenny kam zwanzig Minuten später heraus. Littell folgte
    ihm zum Lake Shore Drive, Richtung Norden.
    Weiße Gischt sprühte gegen die Windschutzscheibe – der
    Wind peitschte den See auf. Littell stellte die Heizung höher
    – und schwitzte nun, statt zu frieren.
    Vom Alkohol hatte er ein pelziges Gefühl im Mund und
    fühlte sich ein bißchen beduselt. Die Straße schwankte – aber
    nur ganz wenig.
    Lenny ordnete sich zum Abbiegen ein. Littell wechselte
    die Spur und folgte ihm dicht auf. Sie bogen zur Gold Coast
    ab – ein für Spielautomaten zu vornehmes Viertel.
    Lenny bog nach links in die Rush Street. Littell erblickte
    vornehme Cocktailbars: braune Sandsteinfassaden mit diskre-
    ten Neonbuchstaben. Lenny parkte und betrat Hernando’s
    Hideaway. Littell fuhr im Kriechtempo vorbei.
    Die Tür ging auf. Für einen Sekundenbruchteil glaubte
    er, zwei Männer wahrzunehmen, die sich küßten.
    Littel parkte in der zweiten Reihe und tauschte den Holz-
    fällerblouson gegen einen blauen Blazer. Die Khakihosen
    und die Stiefel mußten bleiben.
    Er ging durch den heftigen Wind. In der Bar war es
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    dunkel und nachmittäglich still. Das Dekor war gediegen:
    glänzendes Holz und dunkelgrünes Leder.
    Der Speiseraum war mit einer Kordel abgetrennt. An den
    beiden Enden der Bar hatten zwei Paare Platz genommen:
    zwei ältere Männer sowie Lenny und ein Collegestudent.
    Littell setzte sich dazwischen. Der Barmann ignorierte ihn.
    Lenny sprach lupenreines Oberklassenamerikanisch – keine
    verschluckten Endungen mehr, keine jiddischen Einsprengsel.
    »Wie sich der arme Kerl beim

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