Ein amerikanischer Thriller
auf.
Bobby hatte Verspätung. Der Rotschopf war nicht er-
schienen – hätte Jack sie vor ihm erblickt, hätte er ihm ein
Zeichen gegeben.
Kemper nippte an einem Likör. Das Smokingjackett saß
lose – er hatte es so schneidern lassen, um das Schulterhalfter
zu verbergen. Bei Bobby war Waffentragen strikt verboten
– seine Männer waren Juristen, keine Bullen.
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Er war in gleich zweifacher Hinsicht ein Bulle – doppelte
Lohntüte, und doppelte Pflichten.
Er hatte Mr. Hoover mitgeteilt, daß Anton Gretzler und
Roland Kirpaski tot waren – aber ihr »mutmaßliches Able-
ben« hatte Bobby Kennedy nicht demoralisiert. Bobby war
fest entschlossen, Hoffa, die Teamster und das organisierte
Verbrechen auch LANGE nach Abschluß der Tätigkeit des
McClel an-Ausschusses zu verfolgen. Sonderkommissionen der
lokalen Polizeibehörden und Untersuchungsbeauftragte der
Grand Jurys, denen das Beweismaterial des Untersuchungs-
ausschusses zur Verfügung gestellt worden war, sollten die
Speerspitze der Schnappt-Hoffa-Initiative bilden. Auch wenn
Bobby bald mit den Vorbereitungen zu Jacks Wahlkampf
ausgelastet sein würde – die Ergreifung Jimmy Hoffas blieb
sein persönliches Ziel.
Hoover wollte Genaueres über die Untersuchungen wis-
sen. Er erzählte ihm, daß Bobby die »geisterhaften« drei
Millionen Dollar zurückverfolgen wollte, mit denen Hoff-
as Sun-Valley-Projekt finanziert worden war. Denn Bobby
war überzeugt, daß Hoffa Gelder abgezweigt hatte und daß
beim Sun-Valley-Projekt Grundstücksschwindel vorlag. Bob-
by hatte das sichere Gefühl, daß separate, möglicherweise
verschlüsselte Bücher der Teamsterpensionskasse existierten;
Bücher, in denen zig Mil ionen Dol ar Schwarzgeld verbucht
waren – Geld, das zu exorbitanten Zinsen an Gangster und
kriminelle Geschäftsleute ausgeliehen wurde. Angeblich, ei-
nem nie bewiesenen Gerücht zufolge, wurden sie von einem
Chicagoer Gangster im Ruhestand geführt. Da war sich
Bobby sicher: Über die Pensionskasse würde er Hoffa zu
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Fall bringen. Kemper kassierte nun zwei Gehälter. Er hatte
zwei einander widersprechende Aufgabenbereiche. Abgesehen
davon, daß ihm John Stanton Andeutungen machte – sollte
das mit den Kuba-Plänen der CIA klappen.
Damit hätte er ein drittes Gehalt. Damit hätte er genug,
um sich ein schönes eigenes Pied-à-terre leisten zu können.
Peter Lawford hatte sich Leonard Bernstein gekrallt. Bür-
germeister Wagner unterhielt sich angeregt mit Maria Cal as.
Ein Kel ner fül te Kempers Glas nach. Joe Kennedy hatte
einen alten Mann untergehakt.
»Kemper, das ist Jules Schiffrin. Jules, Kemper Boyd. Ihr
solltet euch mal kennenlernen. Ihr zwei Halunken seid wie
füreinander geschaffen.«
Sie gaben sich die Hand. Joe verdrückte sich, um sich
mit Bennet Cerf zu unterhalten.
»Wie geht es Ihnen, Mr. Schiffrin?«
»Danke, bestens. Und mir ist sehr wohl bekannt, wieso
ich ein Halunke bin. Aber Sie? Dafür sind Sie doch viel zu
jung.«
»Ich bin ein Jahr älter als Jack Kennedy.«
»Und ich vier Jahre jünger als Joe, damit gleicht sich alles
wieder aus. Sind Sie Halunke von Beruf?«
»Ich war beim FBI und habe mich pensionieren lassen.
Jetzt arbeite ich für den McClel an-Untersuchungsausschuß.«
»Ein Ex-G-Man? Und bereits pensioniert?«
Kemper zwinkerte ihm zu. »Ich hatte die FBI-sanktio-
nierten Autodiebstähle satt.«
Schiffrin zwinkerte zurück. »Satt, platt. So schlimm kann’s
Ihnen nicht gegangen sein, wenn Sie sich solche Maßsmokings
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aus Mohair leisten konnten. Ich wollte, ich hätte so einen
Smoking.«
Kemper lächelte. »Und was machen Sie?«
»Wohl eher, ›was haben Sie gemacht‹? Ich war Financier
und Gewerkschaftsberater. Das sind Euphemismen, fal s Sie’s
wissen wollen. Was ich nicht gemacht habe, sind prächti-
ge Kinder, an denen ich mich im Alter erfreuen kann. So
prächtige Kinder, wie Joe sie hat. Nicht wahr?«
»Sie kommen aus Chicago?« fragte Kemper.
Schiffrin strahlte. »Wie haben Sie das herausgefunden?«
»Ich habe mich eingehend mit Akzenten befaßt. Da kenn
ich mich ein bißchen aus.«
»Da sind Sie aber ein Tiefstapler. Und Ihren schleppenden
Tonfall, haben Sie den aus Alabama?«
»Tennessee.«
»Ah, die Freiwilligen. Schade, daß mein Freund Heshie
nicht hier ist. Ein Ganove aus Detroit, der seit Jahren im Süd-
westen wohnt. An seinem Akzent hätten Sie was zu beißen.«
Bobby betrat das Foyer. Als Schiffrin ihn erblickte,
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