Ein amerikanischer Thriller
mindestens
achtzehn Minuten unbewacht.
Neunte Nacht: Er schlägt zu. Er ist mit Brechstange,
Blechschneider, Hammer und Meißel bewaffnet. Er bricht
die Tür des Schließfachs Nummer 19 auf und stiehlt vier
Einkaufstüten mit Geld.
Insgesamt 81.492 Dollar.
Jetzt hat er einen Informantenfonds. Die Scheine sind
alt und gebraucht.
Er gibt Mad Sal fürs erste zehntausend Dollar.
Er findet den Säufer, der Jack Ruby gleicht, und gibt ihm
fünfhundert. Bei der Leichenhal e von Cook County besorgt
er sich einen Namen. Icepick Tony Iannones Liebhaber war
ein gewisser Bruce William Sifakis. Er schickt den Eltern
anonym zehntausend Dollar.
Er gibt fünftausend Dollar in die Kollekte von Saint Ana-
tole und betet. Er bittet um Vergebung für seine Hybris.
Er sagt Gott, daß er sein wahres Selbst auf Kosten anderer
entdeckt hat. Er sagt Gott, daß er jetzt die Gefahr liebt.
Und daß sie ihn mehr begeistert als abschreckt.
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(Havanna, 28. 5. 59)
Das Flugzeug rollte aus. Pete zog den Paß und ein dickes
Bündel Zehndollarnoten heraus.
Ein kanadischer Paß, von der CIA gefälscht.
Milizsoldaten stürmten die Rol bahn. Die kubanischen Ge-
setzeshüter zapften al e Flüge aus Key West auf Schmiergeld an.
Vor zwei Tagen hatte Boyd angerufen. John Stanton und
Guy Banister, sagte er, hätten sich vom guten alten Big-Pete-
Schneid beeindruckt gezeigt. Boyd hatte soeben bei der CIA
unterschrieben. Nun könne er ihm eine Aufgabe anbieten,
die wie für ihn gemacht sei und womöglich so was wie ein
Test für die CIA werden könne.
»Du fliegst mit kanadischem Paß von Key West nach
Havanna«, sagte er. »Du sprichst englisch mit französischem
Akzent. Du kriegst raus, wo Santo Trafficante ist, und läßt
dir von ihm eine Erklärung geben. Die Erklärung soll sich
an Carlos Marcel o, Johnny Rossel i und Sam Giancana und
die anderen richten. Trafficante soll seinen Mitgangstern
ausdrücklich davon abraten, sich für die Nationalisierung
der Casinos an Castro zu rächen. Außerdem sollst du einen
hochverängstigten United-Fruit-Manager namens Thomas
Gordean ausfindig machen und ihn herbringen, damit er
Bericht erstatten kann. All das muß sehr schnell erledigt
werden – Castro und Ike werden bald alle Flüge zwischen
den USA und Kuba streichen.«
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»Wieso ich?« fragte Pete.
»Weil du auf dich aufpassen kannst«, sagte Boyd. »Weil
deine Erfahrungen beim Taxistand dich zum Spezialisten
im Umgang mit Kubanern gemacht haben. Weil du kein
bekannter Gangster bist, über den die kubanische Geheim-
polizei eine Akte angelegt haben könnte.«
»Wieviel?« fragte Pete.
»Fünftausend Dol ar«, sagte Boyd. »Und sol test du festge-
nommen werden, wird derselbe diplomatische Kurier, der für
die Freilassung von Trafficante und der anderen Amerikaner
sorgt, auch dich rausholen. Castro wird al e Ausländer laufen
lassen. Das ist nur eine Frage der Zeit.«
Pete wußte nicht recht. »Ich geb’ dir mein Wort«, sagte
Boyd, »daß Ward Littell – ein gestörter und gefährlicher
Mann – dich in Ruhe lassen wird. Ich hab’ dich ja gerade
deswegen mit Lenny Sands zusammengebracht, damit er als
Puffer zwischen euch wirkt.«
Pete lachte.
»Sollten dich die kubanischen Bullen schnappen«, sagte
Boyd, »sagst du die Wahrheit.«
Die Türen gingen auf. Pete legte eine Zehndollarnote in
den Paß. Die Miliz kam an Bord.
Die Pistolengürtel paßten nicht, und jeder hatte eine
andere Waffe drin stecken. Die Abzeichen auf den Hem-
den hatten sie aus irgendwelchen Corn-Flakes-Schachteln
gefischt.
Pete drängte sich zum Ausgang. Das gleißende Licht von
Bogenlampen strahlte durch Türen und Fenster. Als er die
Flugzeugtreppe herunterging, zog er unwillkürlich den Kopf
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ein, um sich gegen die gottverdammte blendende Helligkeit
zu schützen.
Ein Wachsoldat riß ihm den Paß aus der Hand. Der
Zehner verschwand. Der Wachsoldat verbeugte sich und
reichte ihm ein Bier.
Die anderen Passagiere kamen zur Tür raus. Die Miliz-
Clowns überprüften die Pässe auf Schmiergeld und fanden
keines.
Der Chef der Wache schüttelte den Kopf. Seine Unterge-
benen sammelten Geldbeutel und Brieftaschen ein. Ein Mann
protestierte und wollte das Portemonnaie nicht hergeben.
Die Latinos warfen ihn flach auf die Rollbahn. Sie schnit-
ten ihm die Hosen mit Rasierklingen ab und leerten ihm
die Taschen.
Die anderen Passagiere hörten auf zu meckern. Der Chef
der Wache durchwühlte ihre
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