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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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die M 87 verlässt, und er ist vermutlich hospitalisiert, oder heißt es institutionalisiert, so dass alles ein wenig unwirklich erscheint. Er hat keine Ahnung davon, was in der Welt geschieht. Er wäre besser informiert, wenn er fünfzehn Jahre im Gefängnis gesessen hätte und jetzt herauskäme, aber das Gefühl ist vielleicht das gleiche.
    Das AA-Lokal lag im Kellergeschoss der Feuerwache.
    Es gab dort einen länglichen Tisch mit Stühlen. Man trank Kaffee, und es war zunächst das übliche Ritual, Hej, ich heiße PO und bin Alkoholiker , und dann unisono: Hej PO . Es kamen noch fünf von außen, lokale sozusagen. Einer, der Hej-Ove genannt wurde und ein Riese war, nicht schön, aber Schmied. Er redete kurz und bündig und leitete das Treffen mit fester Hand. Zuerst waren alle ein wenig schüchtern, doch das wurde aufgehoben durch einen kleinen dünnen Kameraden, eine Art Kalle Palmér des Alkoholismus, dachte er, der seine Scherze trieb und die Stimmung auflockerte. Man saß eine Stunde zusammen.
    Es war unmöglich zu beschreiben, was er fühlte. Aber er wusste, dass er sich jetzt in einem Kreis befand, wo alle ihn akzeptierten, wie er war, und sie saßen alle in der Scheiße, und keiner brauchte sich zu schämen; sie hatten sich im Kellerraum der Feuerwache in Huddinge getroffen, um sich gegenseitig zu stärken und zu einander zu sagen so ist es . Und keiner von der Leitung war anwesend, und sie unterhielten sich ruhig und ein bisschen heiter darüber, wie es ihnen seit dem letzten Mal ergangen war. Und für einen war es dicht daran gewesen, und einer hatte einen Rückfall gehabt und fühlte sich ein wenig zerbrechlich, glaubte aber, sich wieder fangen zu können. Und sie nickten und sagten zu ihm, dass shit happens. Und dann sprachen sie gemeinsam das Gebet von der Gelassenheit, das lautet:
    Gott gebe mir Gelassenheit,
    Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.
    Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.
    Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden .
    Es war eigentlich ziemlich schön. Wie konnte dies mit seiner Wut zusammenhängen. Vielleicht hing es nicht zusammen, aber er machte sich nichts daraus. Er fühlte nur eine große Ruhe. Und das Gebet kam ihm jetzt ziemlich gut vor, mit den Kameraden, die zusammenhielten, jetzt, da keiner von der feindlichen Leitungsgruppe dabei war. Und langsam wurde er von einer unerhörten Ruhe, fast Euphorie erfüllt.
    Sie befanden sich alle am Boden des Daseins und hielten zusammen und verachteten einander nicht und schämten sich nicht und hatten das Schlimmste mitgemacht; und als sie hinauskamen, war es sternenklar und funkelnd kalt, und hätte über der Feuerwache Huddinge ein Nordlicht geflimmert, wäre es genauso gewesen wie in seiner Kindheit, als alles noch möglich war.
    Und als das Leben, dessen war er damals ganz gewiss , bestimmt gut werden würde. Nicht nur dort unter dem Nordlicht, sondern auch bis zuletzt . Das Leben, das einem von jemandem zugeteilt worden war, das richtige und das einzige Leben, und man sich gewiss kein anderes Leben zuteilen lassen oder suchen musste, wenn dieses erste in Scherben gegangen war, wenn es denn so war.
    Am Tag danach, und das Telefonverbot hatte da richtig eingeschlagen, kam einer der Pfleger mit einem handgeschriebenen Zettel und einem steifen, missbilligenden Lächeln, wie er zu sehen meinte, und überbrachte eine Botschaft.
    Lone hatte aus Kopenhagen angerufen und ließ grüßen und ihm ausrichten, dass In der Stunde des Luchses Premiere in Det Kongelige gehabt hatte, und dass es gut gelaufen war. Die dänischen Zeitungen waren sehr positiv gewesen, und nach der Premiere, laut dieser Mitteilung, die sie ja nicht mündlich vorbringen durfte, um seine Konzentration nicht zu stören, hatte die Familie zusammen gegessen. Und sie hatten, dem Überbringer der Botschaft zufolge, an ihn gedacht.
    Man hatte vielleicht einen leeren Stuhl an den Tisch gestellt. Oder so. Es war vielleicht auf einem anderen Planeten als dem, wo sich die Feuerwache in Huddinge befand.
    Es war das Stück von dem geisteskranken Jungen in seiner Zelle, der, dem eine rote Katze zugeteilt worden war. Er hatte das Stück in Paris geschrieben. Und die Katze war gestorben, aber wieder auferstanden, was zeigte, dass das Wunder möglich war. Und die Pflegerin im Stück sagte eine Masse Dummheiten auf ihre wissenschaftliche Art, aber die Pastorin hatte eine Lehre erteilt bekommen und war darüber fast gläubig geworden. Und die Wiederauferstehung

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