Ein Anfang mit Biss - Rowen, M: Anfang mit Biss - Bitten & Smitten (Immortality Bites 01)
sagen sollen. »Ich muss los.« Ich sah in der kalten Luft vor mir meinen Atem. Aber Thierry lockerte seinen warmen Griff um meinen Arm nicht.
»Es hat mir nicht gefallen, wie wir gestern Abend auseinandergegangen sind«, sagte er. »Es gibt da ein paar Dinge, die wir klären sollten.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe Eugene gesehen. Du hast ihn laufen lassen. Dafür danke ich dir.«
Er musterte mich prüfend. »Warum benimmst du dich dann so?«
»Wie ›so‹?«
»Als ob du es nicht ertragen könntest, mich anzusehen.«
Ich schluckte und sah zu ihm hoch, zwang mich, ihm in die Augen zu sehen und seinem Blick standzuhalten.
»Warum wollen alte Vampire keine Zöglinge schaffen?«, erkundigte ich mich.
Ich weiß nicht, wo diese Worte herkamen. Ich glaube, die Frage überraschte mich genauso sehr wie ihn.
»Wie bitte?«
»An dem Abend, nachdem wir uns zum ersten Mal getroffen haben, hast du mir gesagt, dass es Gründe gäbe, warum Vampire, die so alt sind wie du, keine Zöglinge schaffen wollen. Ich habe mich nur gefragt, was das für Gründe sein können.«
»Bitte, komm herein, dann reden wir darüber.«
»Nein … ich glaube nicht. Ich wollte es einfach nur wissen.«
Thierry seufzte. »Je älter der Vampir ist, desto mächtiger ist sein Blut. Das kann bestimmte Nebenwirkungen für die Jüngeren haben, die nicht immer erwünscht sind.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel vieles, was du selbst erlebt hast. Da wäre zunächst dein Spiegelbild. Es ist viele Monate früher verblasst als das normalerweise geschieht. Deine Reißzähne haben sich ebenfalls früher gebildet. Sicherlich sind das hauptsächlich Unannehmlichkeiten, aber es kann manchmal sehr traurig sein, den Kontakt mit dem, was man vorher war, zu schnell zu verlieren.«
»Das ist alles? Eine Art Schnellvorlauftaste im Vampir-DVD-Spieler? Das wusste ich bereits.«
»Nein.« Er zögerte einen Moment, dann trat er dichter zu mir, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von meinem entfernt war. »Man sagt, dass die psychische und emotionale Bindung zwischen einem älteren Schöpfer und seinem Zögling in mancherlei Hinsicht stärker und tiefer ist. Allerdings brauchst du dir darüber keine allzu großen Sorgen zu machen, da ich nicht dein Schöpfer bin. Du bist nicht länger an mich gebunden, als du möchtest.«
»Oh. Vermutlich ist das gut. Ich fühle mich nämlich nicht an dich gebunden, weder psychisch noch sonst wie, ganz gleich, was du gehört hast.« Ich stand da und wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Dabei war ich normalerweise nicht auf den Mund gefallen. Thierry war der einzige Mann, sogar die einzige Person auf der Welt, bei der es mir dauernd die Sprache verschlug, vor allem wenn er so dicht vor mir stand wie jetzt.
Seine Lippen verzogen sich zu einem unmerklichen Lächeln. »Ich glaube, ich werde dich vermissen.«
»Warum? Wohin gehst du?« Sein Schweigen verriet mir alles, was ich wissen musste. Ich schüttelte den Kopf. »Ach ja, richtig. Wie konnte ich das vergessen?«
»Es gibt keinen Grund, traurig zu sein. Sieh es einfach als ein Ereignis, dessen Zeit jetzt gekommen ist.«
»Wer sagt denn, dass ich traurig bin?« Meine Worte klangen härter, als ich beabsichtigt hatte. »Ich habe versprochen, dir zu helfen, oder? Nenn mir einfach den Ort und die Zeit, und ich werde da sein. Genau dafür sind wir Zöglinge gut. Für alles andere scheine ich ja nicht besonders nützlich zu sein.«
Thierry unterbrach schließlich unseren Blickkontakt, packte die halboffene Tür, vor der ich stand, zog sie weit auf und
trat von mir weg. Er hatte immer noch dieses Lächeln auf dem Gesicht, aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht der richtige Ausdruck für seine Miene war. Es muss ein besseres Wort als »Lächeln« geben, wenn hinter dieser Gebärde weder Spaß noch Freude stecken. Wenn es lediglich eine Form ist, die ein Mund halt gerade einnimmt.
In diesem Moment fiel mir etwas auf. Wenn ich Thierry nicht kennen würde – wenn ich ihm lediglich auf der Straße begegnen würde und nicht wüsste, dass er ein Vampir oder etwas anderes als ein Mensch war -, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, dass etwas an ihm ungewöhnlich wäre. Ich hätte nichts Altes oder Legendäres, Schlechtes, Mörderisches oder Kaltblütiges wahrgenommen. Er sah einfach aus wie ein sehr attraktiver Mann Mitte dreißig. Ein bisschen traurig vielleicht, aber ansonsten völlig normal.
Doch wie es in dem alten Klischee heißt, man kann ein Buch nicht nach
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