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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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lassen. Das Herz klopfte mir bis zum Hals, während ich an ihr vorbeilief. Würde ich es schaffen? Ich war schon so weit gekommen.
    Als ich jetzt in dem Hinterhof stand, war ich erleichtert. Es war definitiv der von Daedalus. Sein Apartment befand sich wie alle anderen im ersten Stock. Das Erdgeschoss war Läden und Restaurants vorbehalten. Ich sandte meine Sinne aus, schickte meine Gedanken die Stufen hinauf, die ich gerade emporstieg, um zu sehen, ob ich Daedalus oder sonst irgendjemanden in seinem Apartment spüren konnte.
    Eindrücke aus anderen Apartments flogen mir zu. Es war wirklich interessant. Ich konnte sagen, ob die Bewohner männlich oder weiblich waren und welche Energie von ihnen ausging. Wahnsinn. Hätte ich nicht eine Mission zu erfüllen gehabt, ich hätte mich gerne oben auf die oberste Stufe gesetzt, die Augen geschlossen und abgewartet, was ich sonst noch wahrnehmen konnte.
    Bei Daedalus angekommen, lehnte ich mich gegen die Wohnungstür. Ich hörte nichts, fühlte keine Anwesenheit in der Wohnung. Was natürlich nichts zu bedeuten hatte. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, sich vor mir zu verbergen. Wobei das zu Hause eigentlich keiner von ihnen zu tun schien. Normalerweise konnten wir immer sagen, wer sich wo aufhielt, wenn wir ihnen nur nahe genug kamen. Ich selbst konnte mich nicht allzu gut verhüllen.
    Ich klopfte ein paarmal. Keine Antwort. Vielleicht war er nicht zu Hause. Verdammt. Ich musste das jetzt sofort erledigen, damit ich mich nachher mit Carmela treffen konnte. Allein der Gedanke an sie und die Zutaten, die sie verlangt hatte, machte mich nervös und erfüllte mich mit einer starken, düsteren Vorahnung. Der Beschluss, Daedalus seine Kräfte zu entreißen, war mein erster Schritt auf diesem Weg gewesen, Carmela zu treffen, mein zweiter, und das hier nun der dritte.
    Dennoch, es war alles rückgängig zu machen. Wenn ich mich noch anders entschied, wäre nichts Schlimmes passiert. Doch irgendwann würde ich den Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab, überschritten haben. Wie würde sich das anfühlen?
    Ich holte tief Luft, atmete aus und blickte die massive Eingangstür an. Okay, was jetzt?
    Auf einen Schlag fiel es mir ein: die geheime Tür in Axelles Wohnung, die abgeschlossen gewesen war … Ich hatte mir doch mal vorgestellt, wie sich das Schloss öffnete, und ich glaube, ich hatte es damals tatsächlich geöffnet. Noch bevor ich wusste, dass ich eine Hexe war – das musste meine eigene, latent vorhandene Magie gewesen sein.
    Dieses Mal fühlte es sich anders an. Klarer. Meine Kraft schien in einem eindeutigen Fluss von mir zu dem Türschloss zu strömen. Nach einer Minute spürte ich, wie die Stifte einrasteten, hörte ein leises Klicken, als sich der Bolzen zurückzog.
    Auf der anderen Seite des Balkons öffnete sich eine Tür und ein älteres Pärchen ging mit mehreren Einkaufstüten Richtung Treppe. Schnell schlüpfte ich durch Daedalus’ Tür und schloss sie hinter mir ab. Ich hörte, wie das alte Ehepaar zankend vorbeiging, wie es alte, verheiratete Menschen eben so taten.
    Jetzt, schnell, schnell, schnell. Ich überprüfte den Raum und entdeckte die Tür zu Daedalus’ Schlafzimmer. Es würde furchtbar werden, doch ich spürte die düstere Gewissheit, dass dies von allem, was ich noch tun musste, bei Weitem nicht das Schlimmste war. Ich nahm einen Plastikbeutel aus meiner Tasche und ging durch das Schlafzimmer, wobei mir die peinliche Ordnung auffiel, die Schönheit der Antiquitäten und der alte Spiegel, dessen Silberbeschichtung langsam abblätterte und mein verängstigtes Gesicht vom anderen Ende des Zimmers widerspiegelte.
    Das Badezimmer betrat man durch eine schmale Flügeltür, die aussah, als bestünde sie aus zwei Fensterläden. Mein Herz klopfte so stark, dass ich es in meinen Ohren pochen hören konnte. Ich versuchte zu horchen, versuchte zu spüren, ob jemand kam, doch ich konnte nichts wahrnehmen. Schnell öffnete ich die Schubladen, suchte nach …
    Seiner Haarbürste. Das war ja so ekelhaft. Ich steckte meine Hand in die Plastiktüte, zupfte ein paar graue Haare zwischen den Borsten hervor, stülpte die Tüte um und verschloss sie. Ich steckte sie in meine Tasche und versuchte dann, die Bürste genau so zurückzulegen, wie ich sie gefunden hatte. Vorsichtig machte ich die Schublade zu.
    Ich war schon fast bei der Eingangstür, als ich Daedalus kommen fühlte. War jemand bei ihm?
    Ich erstarrte. Mein Instinkt schaltete sich ein, und ich raste ins

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