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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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denken?«
    Petra sah ihn fest an.
    Luc schüttelte den Kopf. » Ich weiß nicht, was in dir vorgeht, Petra. Ich kann dir nur sagen: Was die Zwillinge oder die Treize oder weiß der Geier was betrifft, bin ich in keinen Plan und in keine Verschwörung involviert. Im Moment ist mein einziges Ziel, mein Gesicht wieder in Ordnung zu bringen.«
    Sie würde nicht versuchen, in seine Gedanken einzudringen. Bestimmt nicht. So etwas praktizierten sie nie aneinander, oder zumindest fast nie. Langsam verstrich eine Minute, nachweisbar nur an dem Schatten der Pfeffermühle auf dem Tisch zwischen ihnen, der beinahe unmerklich weiterwanderte.
    » Ich weiß selbst nicht, was ich denke«, sagte Petra schließlich. » Die Zwillinge kommen mir beide komisch vor, so distanziert irgendwie. Ich weiß nicht, was da vor sich geht.« Sie zauderte und schüttelte den Kopf, als wolle sie ein paar unangenehme Gefühle loswerden. » Hör nicht auf eine alte Frau, Luc. Wahrscheinlich ist es nichts. Ich versuche einfach immer noch, herauszufinden, was während des Ritus passiert ist.«
    » Bist du denn in Ordnung?«
    » Ja. Ich bin sicher, dass alles okay ist. Egal. Lass uns mal sehen, was wir tun können, um den Heilungsprozess zu beschleunigen.«
    Luc nickte, rutschte auf seinem Stuhl nach vorne und wartete darauf, dass Petra ihm Anweisungen geben würde. Plötzlich schien sich Thais’ Bild an ihn zu pressen, seine Arme und sein Herz auszufüllen. Er hielt den Atem an und legte sich eine Hand auf den Bauch, um das Gefühl von ihr enger an sich zu drücken.
    Die Eingangstür öffnete sich. Petra sah auf.
    » Thais«, sagte sie, und Lucs Bauch spannte sich noch mehr an. Er sah sie so selten – wenn er so darüber nachdachte, hatte er sie insgesamt vielleicht weniger als fünfzehn Mal gesehen. Konnte das möglich sein? Sie war ein Teil von ihm, in seinem Blut, unter seiner Haut. Thais war Teil jeder seiner Erinnerungen. Jeder Gedanke an die Zukunft beinhaltete Thais. Noch immer war sie das Erste, an das er morgens beim Aufwachen dachte, und das letzte Bild, mit dem er abends im Kopf einschlief. Dann pflegte Luc die Schatten im Mondlicht zu betrachten, die in grauen unregelmäßigen Formen über die Wände wanderten, und noch einmal alle gemeinsamen Momente mit ihr zu durchleben.
    Natürlich hasste sie ihn. Oder nicht? In der Nacht des Ritus hatte er plötzlich eine Welle der Gefühle von ihr empfangen. Überrascht hatte er aufgeblickt, doch ihre Augen hatten ihn schon wieder scheu gemieden.
    Und jetzt sah er aus, als hätte ihm jemand Lauge ins Gesicht geschüttet.
    » Hi, Schatz«, sagte Petra. » Hast du alles gekriegt, was du brauchst?«
    » Ja«, sagte Thais, während sie zur Arbeitsplatte ging. » Habe ich.«
    Luc sah zu, wie Thais die Tüten mit den Lebensmitteln abstellte. Ihr Gesicht war verschlossen, ihr Rücken steif. Genauso hatte er sie umarmt: Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, und seine Arme hatten sich um ihren Bauch geschlungen und sie an sich gezogen. Wie hatte er nur einen so tragischen Fehler machen, wie sich so desaströs verrechnen können?
    Er wusste wie. Er war eben daran gewöhnt, mit allem davonzukommen. Er hatte tausend gebrochene Herzen hinter sich gelassen, ohne auch nur einen Gedanken an sie zu verschwenden. Die Dinge liefen, wie er es wollte – alles lief, wie er es wollte. Kein Problem war je so groß gewesen, als dass er darüber nicht einfach in eine andere Stadt hätte ziehen können. Zehn, zwanzig, dreißig Jahre, dann legte sich der Sturm und die Leute vergaßen. Er war sich seiner selbst zu sicher geworden. Er hatte sich als unantastbar empfunden.
    Das hatte ihn den einzigen Menschen gekostet, den er je geliebt hatte, abgesehen von seiner Schwester.
    Und wie toll es erst für seine Schwester gelaufen war …
    Da, sie drehte sich um. Würde sie ihn ignorieren? Er merkte, wie Hitze in seine vernarbten, zerstörten Wangen stieg, fühlte seine geschwollenen Augenlider, während er sie betrachtete.
    Sie stellte Milch in den Kühlschrank und leerte dann eine Plastiktüte mit Äpfeln in einen Korb.
    » Thais, machst du bei uns mit? Weißt du, dieser Heilzauber könnte dir sicher nützlich sein.«
    Luc merkte, wie sein Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske erstarrte.
    » Ähm, ich wollte mit Sylvie ins Kino«, sagte Thais, wobei sie nur Petra ansah.
    » Okay«, nickte Petra.
    Wieder spürte Luc, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Er hatte ihr Herz und zugleich seines gebrochen. Und so, wie er jetzt aussah,

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