Ein Band aus Wasser
würde er es nie wiedergutmachen können. Nie. Außerdem hatte sie die Sache mit ihm bereits überwunden. Er hatte sie in den Armen eines anderen Jungen gesehen.
» Wie geht’s deinem Freund?« Er war genauso überrascht wie sie, die Worte aus seinem Mund zu hören.
Zum ersten Mal sah sie ihm in die Augen. Forschend betrachtete er ihr Gesicht, wartete darauf, dass sie bei seinem Anblick zurückzuckte, so wie es die Leute auf der Straße taten. Doch sie reagierte nicht.
» Es geht ihm gut«, sagte sie knapp. » Wir machen Schluss.« Sofort zog sie die Stirn kraus. Das hatte sie eigentlich gar nicht sagen wollen. Der Hoffnungsschimmer, der hell in ihm aufgeleuchtet war, verlosch sogleich wieder, als ihm einfiel, wie er aussah. Keine Aussicht auf eine Linderung seines Schmerzes. Er blickte auf den Tisch hinunter.
» Ich will nicht zu spät kommen«, sagte Thais, drehte sich um und verließ die Küche.
» In Ordnung, Liebes«, sagte Petra. » Sei vorsichtig.«
» Okay.«
Er hörte, wie sie leichtfüßig die Treppe hinauflief, und stellte sich vor, wie ihr bunter Rock um ihre Beine hüpfte. Eine Minute später stand sie schon wieder bei ihnen im Erdgeschoss. Und dann war alles, was von ihr übrig blieb, der frische Lavendelduft ihres Haares und der Nachhall der sich schließenden Tür.
Langsam atmete er aus, als könne dies seinen Schmerz lindern. Er sah Petra in die Augen. » Können wir jetzt den Zauber praktizieren?«
Kapitel 15
Vielleicht Thais
Clio war eine begabte Schülerin, dachte Daedalus erneut, während er sein Apartment betrat. Gut, die Magie, die sie angewandt hatten, hatte sie ziemlich übel erwischt, aber das würde mit der Zeit nachlassen. Es war wie mit allem; man härtete ab. Man bekam Schwielen.
Doch, sie hatte wirklich Talent. Er musste ihr etwas nur einmal zeigen und konnte sicher sein, dass sie sich beim nächsten Mal daran erinnerte. Sehr erfreulich.
Und sie schien dankbar für die Unterrichtsstunden – sie hatte ein Ziel und verfolgte es wie er überaus zielstrebig, eine Eigenschaft, die er bewunderte. Die Zwillinge schienen den alten Zeitgeist, von dem sie abstammten, mehr zu verkörpern als jede andere aus Cerises Ahnenreihe, und zwar sowohl, was ihr Aussehen, als auch, was ihre Stärke betraf.
Er konnte Clio nicht töten, um Melita Platz zu machen. Es musste jemand anderes sein. Irgendjemand musste gehen, und Daedalus wartete den richtigen Zeitpunkt ab, wartete geduldig, um die beste Entscheidung zu treffen. Sollte er das schwächste Mitglied töten? Das wäre Sophie. Oder das, das am ehesten dazu geneigt war, ihn zu hintergehen? Das war schon schwerer auszumachen. Petra? Oder Jules? Nein, nicht Jules, nicht nach all den Jahren. Obwohl er den größten Schaden hätte anrichten können, wenn er Daedalus verriet. Aber Jules war über jeden Tadel erhaben, dessen war sich Daedalus ganz sicher.
Er ging in die Küche und schenkte sich ein Glas eau gazeuse mit einem Schuss Limone ein. Clio war sehr stark. Sie war nur ein paar Minuten in seinem Apartment gewesen und doch konnte er ihre Schwingungen immer noch spüren. Kaum wahrnehmbar, aber sie waren da.
Vielleicht sollte Thais diejenige sein, die ihr Leben ließ. Sie war nicht auf seiner Seite, das spürte er. Er musste bedenken, dass sie mit ihrer ungewöhnlichen Stärke und ihrem mangelnden Respekt für seine Position leicht zu einer Bürde werden konnte.
Auf halbem Weg zum Wohnzimmer blieb er stehen. Axelle. Was wollte sie? Er seufzte und schickte sich an, den Deckenventilator einzuschalten. Axelle konnte manchmal sehr ermüdend sein. Aber auch nützlich, wie er zugeben musste. Also war es besser, sich gnädig zu zeigen und sie auf der richtigen Seite zu halten.
Genau in dem Moment, als sie die Hand hob, um zu klopfen, öffnete er die Tür.
» Meine Liebe«, sagte er und bat sie herein. » Ich habe an dich gedacht. Du spürst seit dem Ritus keine unangenehmen Nachwirkungen?«
» Nein«, entgegnete sie. » Aber du siehst schlimm aus.«
Typisch Axelle, der Elefant im Porzellanladen.
» Ach, wirklich?«, erwiderte Daedalus gelassen und schickte sich an, die großen Balkontüren zu öffnen, die auf die Straße hinausgingen. Er straffte die Schultern und bewegte sich mit entschlossenen Schritten.
» Ja, wirklich «, antwortete sie und lehnte sich gegen sein Empire-Sofa. » Harte Nacht?«
In diesem Augenblick kam ihm ein Gedanke, eine vage Erkenntnis von etwas, das ihm bislang entgangen war. Seit dem Ritus war er schwächer. Und
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