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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Curnyn
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vorn gerichtet, ein leichtes Lächeln auf seinen schön geformten Lippen. Ja, Josh war ein gut aussehender Typ. Das Problem war, dass er ständig nach Bestätigung suchte – vor allem jetzt, wo kein Agent oder Regisseur ihm mehr sagte, er habe dieses spezielle Etwas, das alles verkaufen könne. Angefangen bei Zahnpasta bis zu Haarwuchsmitteln (habe ich sein dickes, dunkles, lockiges Haar erwähnt?). Deshalb hatte er auch immer großartige Jobs in der Werbung bekommen. Er hatte so ein Gesicht – so attraktiv, dass man alles begehrte, was er anpries, während er zugleich so wirkte, als ob er die Produkte auch wirklich benutzen würde.
    Ich beschloss, ihm etwas Gutes zu tun. Schließlich waren wir Freunde.
    „Du siehst toll aus.“ Ich lächelte ihn an.
    Und ich gestehe, dass ich mir von ihm ein ähnliches Kompliment erhoffte.
    „Du hast ja richtige Locken.“ Er ließ seinen Blick über mein Haar wandern, das, wie ich jetzt feststellte, durch die Hitze in meinem Nacken festklebte. Das war nun wirklich kein Kompliment, vor allem nachdem Josh mir (mit großer Regelmäßigkeit) während unserer kurzen aber heftigen Affäre geraten hatte, meine Haare glätten zu lassen.
    „Na ja, es ist halt Sommer. Die Feuchtigkeit. Man kann die Natur nicht ewig bekämpfen.“ Hastig fuhr ich mit meinen Händen über die Strähnen, die normalerweise mein Gesicht umrahmten, jetzt aber, wie ich vermutete, waagerecht abstanden.
    Als wir uns in dem dezent beleuchteten Restaurant an einen hübschen Tisch für zwei gesetzt hatten, wurde aus Josh wieder Josh. Ein alberner kleiner Zahlenverdreher, der unbedingt vermitteln wollte, dass er nicht einfach nur ein Versicherungsvertreter war.
    „Emily und ich haben am Samstag
The Yearning
gesehen“, begann er.
    Das Stück hatte ich schon vor über einem Jahr gesehen, damals, als es in einem Avantgarde-Theater aufgeführt wurde und Leute wie Emily Fairbanks noch nichts von seiner Existenz geahnt hatten. Ich meine, welch ein Interesse sollte auch Emily Fairbanks, diese Privatschülerin aus Connecticut, an Bewohnern der
Lower East Side
haben, die gegen AIDS kämpfen (denn darum ging es in
The Yearning
), es sei denn, sie musste fünfundachtzig Dollar für ein Ticket hinblättern? Ich schätze, für so viel Geld war sogar Emily bereit, mitfühlend zu sein.
    „Wessen Idee war das?“ fragte ich misstrauisch.
    Um ehrlich zu sein, war ich von der ersten Sekunde an, als ich Josh vor dem Restaurant gesehen hatte, misstrauisch gewesen. Er trug einen Anzug, der aussah wie von
Brooks Brothers
. Gerade er, der es damals nie über sich bringen konnte, im Kino Popcorn zu kaufen, egal, wie verführerisch sie rochen („Fünf Dollar für
Mais
?“). Also hatte ich mir jedes Mal selbst Popcorn gekauft, das er dann schuldbewusst aufaß. Zu dieser Zeit habe ich seine Sparsamkeit akzeptiert. Sogar bewundert. Damals waren wir beide Schauspieler und der Meinung, dass wir der Kunst zuliebe ohne teuren Luxus auskommen konnten. Doch seit Josh einen festen Job hatte – und eine Prinzessin, denn das schien Emily zu sein –, hatte er sich verändert.
    „Emily hat die Karten von ihrem Chef bekommen“, antwortete er ein wenig blasiert, als ob man ihr Geschick, an Freikarten ranzukommen, irgendwie bewundern müsse. Wie es schien, hatte Emily für ihr Mitgefühl doch nicht bezahlen müssen.
    „Nun ja, ich habe es bereits im
La Mama
gesehen.“ Ich setzte ein arrogantes Gesicht auf, weil ich schon damals den wahren Wert des Stückes erkannt hatte.
    Doch das berührte Josh überhaupt nicht, der die unheimliche Fähigkeit besaß, mich mit einer einzigen geschickt gestellten Frage aus der Fassung zu bringen. „Wie läuft’s mit den Vorsprechterminen?“
    Das machte deutlich, wie
wenig
weit ich eigentlich von Joshs spießigem Leben entfernt war. Ich war seit Monaten bei keinem Vorsprechen mehr gewesen. Seit sechs Monaten, um genau zu sein. Seit ich diesen Job als Gymnastik-Guru für Sechsjährige an Land gezogen hatte. Doch mit Joshs Nachfrage konfrontiert, gewann
Rise and Shine
mit einem Mal übergroße Proportionen.
    „Hatte nicht wirklich Zeit dafür“, begann ich, „nachdem die Sendung so erfolgreich ist. Meine Produzentin lässt uns bereits neue Übungen einstudieren, damit wir sofort, wenn die Staffel endet, mit einer neuen starten können. Und dann noch die Arbeit und Kirk …“
    Er bewegte ruckartig seinen Kopf, wie um zu zeigen, dass er meine Antwort absolut verstehen könne. Dann, mit der Weisheit eines Mannes,

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