Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
auf den Stuhl, den sie mir angeboten hatte. Sie lächelte zurück, und mir fiel auf, dass die Haut um ihren Mund Mühe hatte, sich zu dehnen. Ganz offensichtlich hatte sie für das Gesichtslifting nicht genug bezahlt. Ich fand es etwas eklig, mir die Operation vorzustellen, die ihre Haut in einem solchen Zustand hinterlassen hatte. Genauso empfand ich immer, wenn ich mir aktuelle Bilder von Michael Jackson anschaute. Ich konnte nicht anders, als mir das Skalpell vorzustellen, das Blut, die Schmerzen …
Ich erschauerte.
„Ist Ihnen kalt?“ fragte sie.
„O nein, mir geht’s … gut.“
Ich hoffte, dass sie die Ursache meines Unbehagens nicht bemerkte. Ich fragte mich, wo sich die Narben befanden.
Hör auf!
warnte mich eine innere Stimme, woraufhin ich mich auf die kleine Falte zwischen ihren Brauen konzentrierte, die entstand, wenn sie sprach. Ich vermute, keine Operation konnte dieses kleine rebellische Stück Haut glatt ziehen.
„Wie läuft es denn bei
Rise and Shine
? Gut?“ begann sie.
„Gut. Sogar großartig.“ Dann hatte ich das Gefühl, ein wenig übertrieben zu haben und fuhr fort: „Aber ich möchte mich gerne verändern. Deswegen bin ich hier. Ich arbeite seit sechs Monaten für
Rise and Shine
. Ich weiß nicht, ob Sie die Sendung je gesehen haben …“ Ich hoffte, dass das nicht der Fall war.
„Ich habe sie gesehen. Sie sind ziemlich … beweglich.“ Sie lächelte mich wieder mit diesem gespannten Stück Haut an.
Ich starrte unverwandt auf ihre einzige Falte, um nicht grinsen zu müssen und antwortete: „Danke. Manchmal macht es schon Spaß.“
„Das ist kein schlechter Job. Wie ich gehört habe, hat die Sendung einen Auszeichnung gewonnen?“
„Ja, als bestes Kinder-Fitness-Programm.“ Ich weigerte mich zu erwähnen, dass es die einzige Fernsehsendung gewesen war, die für eine Nominierung in Frage kam.
„Und wie ich hörte, sind einige Network-Sender daran interessiert?“
Meine Güte, das hatte sich ja schnell herumgesprochen. „Ja, wie unsere Produzentin sagt, gibt es da wohl Interesse.“
Sie hob die Augenbrauen und hätte vielleicht sogar ganz nett ausgesehen, wenn ihre Stirn nicht gedroht hätte, die Nase, das Kinn und die Oberlippe auf Brauenhöhe zu ziehen. „Ist Ihnen klar, dass da ein ganz schöner Vertrag herausspringen könnte? Und Sie bedeutend mehr Geld verdienen würden?“
Ihre Worte ängstigten mich nun sogar mehr als ihr Gesicht.
„Wie gesagt, ich möchte mich verändern. Ich würde schon gerne weiter fürs Fernsehen arbeiten. Oder sogar fürs Kino. Aber ich hätte gerne etwas … Abwechslungsreicheres.“
Ihre Haut rutschte wieder auf ihren Platz zurück, und ihr Mund verzog sich missbilligend. Was ging hier vor sich? Glaubte Viveca Withers tatsächlich, dass ich bei
Rise and Shine
Karriere machen wollte? Wahrscheinlich wollte sie den Vertrag für mich aushandeln – und ihre Prozente einsacken – und mich in eine Richtung drängen, in die ich nicht wollte. Wenn es also das war, was sie vorhatte, musste ich dieses Missverständnis sofort aus dem Weg räumen.
„Ich fühle mich als Schauspielerin ein wenig … unausgefüllt in dieser Rolle. Ich würde gerne etwas anderes machen, etwas … etwas …“ Etwas, wo ich mehr zu sagen hatte als
Reckt euch zum Himmel, streckt den Kopf nach oben
! „Etwas Bedeutungsvolleres.“
Doch Viveca schaute mich schon gar nicht mehr an. Sie spielte mit ihrem Kugelschreiber. Ihre Miene zeigte deutlich:
Das habe ich schon hundertmal gehört
.
Doch ich gab nicht auf. Ich wollte dieses Zimmer nicht ohne ihr Versprechen verlassen, dass sie mir auf meiner Suche nach einem neuen, besseren Engagement helfen würde. Oder wenigstens nach einem neuen, denn mir war klar, wie selten es in dieser Branche etwas Besseres gab. „Ich habe Ihnen Fotos und meinen Lebenslauf mitgebracht.“
Sie riss den Kopf nach oben und schaute mich an, als wäre ich mit einem Mal eher eine Bedrohung als eine viel versprechende neue Klientin. „Gut, gut, sie können die Unterlagen hier lassen, ich werde sie mir anschauen.“ Sie klang verärgert.
Bestürzt zog ich die Mappe aus meiner Tasche und reichte sie ihr.
Ich sah, wie sie die Mappe öffnete und die frische, jüngere Frau betrachtete, die ich nicht mehr war. Dann sagte sie: „Wissen Sie, Sie sehen ein bisschen wie Marisa Tomei aus.“ Ich fühlte mich geschmeichelt. Dann fuhr sie mit einem kurzen Blick auf mich fort: „Das hilft natürlich nur, wenn man auch wirklich Marisa
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