Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
es aber nicht aus. Ich hatte Justin noch nicht erzählt, wie ernst es zwischen uns geworden war. Wahrscheinlich wollte ich nicht, dass er diese Entwicklung der Azalee zuschrieb.
„Woher soll er denn wissen, was gut für dich ist?“ Er klang irgendwie ziemlich verärgert. Was ungewöhnlich für Justin war. Er schien sich nie über etwas aufzuregen. Oder über jemanden.
Doch statt seinen Zorn zu hinterfragen, schoss ich zurück. „Zumindest weiß er, dass man für das, was man im Leben erreichen will, arbeiten muss. Man kann nicht einfach rumsitzen und träumen und nichts tun. Ich meine, du redest immer groß von deiner Musik und dass du Konzerte geben willst, dabei machst du nichts anderes, als gelegentlich mal ein paar Akkorde anzuschlagen, während du auf einem der Sofas sitzt, mit denen du unsere Wohnung zustellst!“
Als ich seinen traurigen Blick sah, bedauerte ich meine Worte sofort. Und dann sagte er: „Ich werde es schaffen. Ich muss vorher eben noch einiges regeln. Das ist alles. Solche Sachen brauchen Zeit. Der Erfolg kommt nicht einfach so über Nacht. Nicht in dieser Branche.“
Er hatte Recht. Und manchmal kam er überhaupt nicht. Und so, wie es im Moment aussah, war bei mir das Letztere der Fall.
Wenn ich schon Justin nicht zutraute, seine Träume zu verwirklichen trotz seiner Kontakte, seines natürlichen Charmes, seines guten Aussehens und seiner vielen Talente, dann traute ich es mir erst recht nicht zu. Egal welche „Starqualitäten“ meine Nase seiner Meinung nach hatte.
Wie sich in den folgenden Wochen herausstellte, war ich ganz auf mich alleine gestellt. Kirk vergrub sich derart in seiner Arbeit, dass ich ihn kaum noch zu Gesicht bekam. Und selbst an den Abenden, an denen wir uns trafen, sah ich ihm meist beim Schlafen zu, weil er spätestens eine Stunde nach meiner Ankunft erschöpft ins Bett fiel.
Langsam hatte ich das Gefühl, dass ich die Schlacht gewonnen hatte … und meinen Partner verloren.
Außerdem noch meinen besten Freund. Denn Justin hatte plötzlich auch wieder Geschmack am Arbeiten bekommen. Er hatte einen Aushilfsjob bei einer Produktionsfirma angenommen, wodurch er den größten Teil des Tages nicht mehr zu Hause war – und den größten Teil der Nacht auch nicht, weil er meist noch mit der Crew umherzog.
Ich fühlte mich beinahe so einsam wie in der Zeit, kurz nachdem mein Vater gestorben war. Nur diesmal konnte ich nicht einmal mehr nach Brooklyn fahren, denn wenn ich ohne Kirk auftauchte, würde meine Mutter sich nur darin bestätigt fühlen, dass Kirk unsere Beziehung nicht ernst nahm.
Und so fragte ich mich langsam, ob sie vielleicht Recht hatte.
„Wir sind doch das ganze nächste Wochenende zusammen bei meinen Eltern“, sagte Kirk, als ich ihn am Mittwoch anrief, in der Hoffnung, dass wir Pläne fürs Wochenende machen könnten, bevor er sich wieder mit Arbeit zuschaufelte. „Und außerdem möchte ich das Programm für
Norwood
vorher fertig haben, damit wir ganz entspannt sein und Spaß haben können.“
Spaß? Ich zweifelte ernsthaft daran, dass ich unter den prüfenden Blicken der Stevens-Familienmitglieder Spaß haben würde.
Da ich das Wochenende nicht alleine verbringen wollte, rief ich Grace an. Seit ihrer Trennung von Drew war sie mir ausgewichen. Vermutlich, weil sie nicht darüber sprechen wollte, während ich es jedes Mal zum Thema machte, wenn wir telefonierten. Ich konnte einfach nicht anders. Ich fragte mich immer noch, warum sie ihn so vollkommen aus ihrem Leben verbannt hatte.
Sie nahm beim zweiten Klingeln ab und klang irgendwie atemlos und … erschöpft.
„Geht’s dir gut?“ fragte ich anstelle einer Begrüßung.
„Ja. Ich bin nur … müde.“
„Was hast du denn so gemacht?“
„Ach Gott, alles Mögliche. Claudia und ich waren in dieser Woche in so ziemlich jedem angesagten Club in Manhattan.“
„Claudia
?“
„Meine Chefin. Du erinnerst dich doch an sie, oder?“
Wie hätte ich mich nicht an sie erinnern können? Wir hatten uns auf einer Cocktailparty kennen gelernt. Claudia war damals gerade frisch geschieden und litt wohl noch immer unter ihrem notorisch untreuen Ex-Mann. Zumindest gab sie über jede einzelne Frau im Zimmer einen beißenden Kommentar ab wie auch über nicht gerade wenige der Männer. Ich fragte mich, was sie wohl über mich gesagt hatte, aber Grace behauptete, dass Claudia mich gar nicht richtig wahrgenommen hätte. Von einer Frau ignoriert zu werden, die Vize-Präsidentin einer der mächtigsten
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