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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hielt ihn plaudernd auf den Knien. Helene schaute
lächelnd zu und ließ einen Augenblick die Arbeit ruhen, um mit
ruhigem Blick das Familienglück zu betrachten. Der Kuß des Gatten
berührte sie nicht, die Streiche Luciens stimmten sie zärtlich. Es
war, als ob sie im glücklichen Frieden dieses Ehepaares Ruhe
fände.
    Eines Tages traf der Doktor Helene allein unter den Ulmen.
Juliette ging fast jeden Nachmittag aus.
    »Ei!« rief er, »ist meine Frau nicht da?«
    »Nein,« antwortete sie lachend, »sie läßt mich sitzen. Sie
kommen heute auch zeitiger nach Hause als sonst.«
    Die Kinder spielten am andern Ende des Gartens. Er setzte sich
neben sie. Ihr Beisammensein unter vier Augen gab ihnen nicht zu
denken. Eine Stunde plauderten sie von tausend Dingen, ohne auch
nur einen Augenblick das ihr Herz schwellende zärtliche Gefühl zu
zeigen. Wozu davon reden? Man brauchte sich kein Geständnis zu
machen. Ihnen genügte die Freude, beisammen zu sein, sich in allem
zu verstehen. Ohne Störung kosteten sie das Alleinsein am nämlichen
Orte, wo er jeden Abend seine Frau in ihrer Gegenwart umarmte.
    Heute scherzte Deberle über Helenes Arbeitseifer.
    »Sie wissen doch,« sagte er, »daß ich nicht einmal
die Farbe Ihrer Augen kenne; Sie halten sie
immerzu auf Ihre Nadel geheftet.«
    Sie hob den Kopf und sah ihm voll ins Gesicht.
    »Ei! sollten Sie mich hänseln wollen?« fragte sie sanft.
    »Ah! Sie sind grau … grau mit blauem Widerschein, nicht
wahr?«
    Mehr zu reden wagten sie nicht. Aber diese Worte, die erste
Annäherung waren von einer unendlichen Anmut. Von diesem Tage an
fand er sie oft im Dämmer allein. Ohne ihren Willen, ohne daß sie
es wußten, wuchs ihre Vertrautheit von Tag zu Tag.
    Sie sprachen mit veränderter Stimme, mit lockender Tonfärbung.
Und doch konnten sie, wenn Juliette kam und in geschwätziger Hast
von ihren Gängen durch Paris berichtete, die begonnene Unterhaltung
fortsetzen, ohne befangen zu sein. Es schien, als ließe dieser
schöne Frühling, dieser Garten, wo die Holunder blühten, das erste
Entzücken ihrer Leidenschaft nicht enden.
    Gegen das Ende des Monats wurde Frau Deberle von einem großen
Vorhaben in Aufregung versetzt. Sie hatte plötzlich den Einfall,
einen Kinderball zu geben. Die Jahreszeit war schon vorgerückt,
aber dieser Gedanke füllte ihren Hohlkopf so aus, daß sie sich
alsbald mit ihrem lärmenden Tätigkeitsdrang in die Vorbereitungen
stürzte. Sie wollte etwas Apartes. Es sollte ein Kostümball
werden.
    Nun schwatzte sie von nichts anderem als von ihrem Balle, zu
Hause, bei anderen, überall. Der schöne Malignon fand den Plan ein
bißchen kindlich, geruhte aber doch, sich dafür zu interessieren.
Er versprach, einen Komiker aus seiner Bekanntschaft für den Abend
zu engagieren.
    Als eines Nachmittags die ganze Gesellschaft
unter den Bäumen versammelt saß, warf Juliette die schwerwiegende
Frage der Kostüme für Lucien und Jeanne auf.
    »Ich überlege noch immer. Ich habe an einen Bajazzo in weißem
Atlas gedacht.«
    »Oh! das ist gewöhnlich!« erklärte Malignon, »Bajazzos werden
Sie mindestens ein halbes Dutzend auf Ihrem Balle haben. Warten
Sie! wir müssen uns etwas anderes ausdenken.«
    Und er versenkte sich in tiefes Sinnen, während er am Knopf
seines Spazierstocks lutschte.
    »Ich habe Lust, mich als Kammerzofe zu verkleiden,« rief
Pauline.
    »Du?« sagte Frau Deberle erstaunt. »Aber du maskierst dich doch
überhaupt nicht! Hältst du dich denn etwa gar für ein Kind, du
großes Kalb? Du wirst mir das Vergnügen machen, im weißen Kleide zu
erscheinen.«
    »Ach, es hätte mir so viel Spaß gemacht!« sagte Pauline
enttäuscht, die trotz ihrer siebzehn Jahre und jungfräulicher
Formen am liebsten mit kleinen Kindern spielte.
    Helene arbeitete unterdessen, von Zeit zu Zeit den Kopf hebend,
um dem Doktor und Herrn Rambaud zuzulächeln, die plaudernd vor ihr
standen. Herr Rambaud hatte schließlich bei Deberles
Familienanschluß gefunden.
    »Und Jeanne?« fragte der Doktor. »Als was wird… «
    Er wurde durch einen Ausruf Malignons unterbrochen:
    »Ich hab's – als Marquis Ludwigs des Fünfzehnten!«
    Er schwenkte triumphierend seinen Stock. Als man aber von
solchem Geistesblitz nicht sonderlich begeistert war, tat er
erstaunt.
    »Wie! Sie verstehen mich nicht? Ei! Lucien empfängt doch seine
kleinen Gäste, nicht wahr? Sie stellen ihn also an die Tür als Marquis mit einem großen Rosenstrauß,
und er macht den Damen sein Kompliment.«
    »Aber,«

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