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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wie man einen
Wagen schneidet.«
    Damit war das Spiel in der Regel zu Ende. Jeanne schaute
aufmerksam ihrem Freunde zu, der jetzt das Papier in eine Menge
kleiner Vierecke faltete. Dann versuchte Jeanne es selbst, aber sie
machte Fehler und stampfte mit dem Füßchen auf. Doch verstand sie
schon, Kähne und Bischofsmützen zu falten.
    »Du siehst doch,« belehrte Herr Rambaud geduldig, »zuerst vier
Ecken wie diese da, dann biegst du um… «
    Seit einer Weile mußte er einiges von den in dem Nachbarzimmer
gewechselten Worten erhascht haben, seine Hände zitterten stärker,
und er begann zu stottern.
    Helene, die sich nicht beruhigen konnte, nahm das Thema wieder
auf.
    »Mich wieder verheiraten, und mit wem?« fragte sie plötzlich den
Priester und legte ihre Arbeit wieder auf das Nähtischchen. »Sie
haben wohl gar jemand im Auge?«
    Abbé Jouve war aufgestanden und schritt langsam auf und nieder.
Er nickte.
    »Nun! so nennen Sie mir doch einmal den Namen,« entfuhr es
Helene.
    Einen Augenblick blieb er vor ihr stehen. Dann zuckte er leicht
mit den Achseln:
    »Wozu das? wenn Sie doch nein sagen.«
    »Immerhin will ich es wissen! Wie könnte ich mich sonst
überhaupt entschließen?« Jouve antwortete
nicht sogleich. Ein trauriges Lächeln legte sich auf seine Lippen,
und resigniert sagte er schließlich:
    »Wie! Sie haben es nicht erraten?«
    Nein, Helene erriet es nicht. Sie suchte und wunderte sich. Da
deutete er mit einer Kopfbewegung zum Eßzimmer.
    »Er?« rief sie, überrascht die Stimme dämpfend.
    Helene sträubte sich nicht mehr. Auf ihrem Gesicht blieben nur
Erstaunen und Kummer. Lange blieb sie träumerisch, mit
niedergeschlagenen Augen sitzen. Gewiß, sie hätte nicht auf ihn
geraten, und doch fand sie keinen Einwand. Herr Rambaud war der
einzige Mann, in dessen Hand sie die ihre vertrauensvoll gelegt
haben würde. Sie kannte seine Güte und lachte nicht über seine
kleinbürgerliche Unbeholfenheit. Aber trotz aller
freundschaftlichen Zuneigung ließ sie der Gedanke an das
Geliebtwerden völlig kalt.
    Als der Abbé, der seinen Weg von einem Zimmerende zum andern
wieder aufgenommen hatte, am Eßzimmer vorbeikam, rief er Helene
leise an.
    »Da! sehen Sie!«
    Herr Rambaud hatte Jeanne auf seinen Stuhl gehoben. Er war, erst
gegen den Tisch gestützt, im Spiele allmählich bis zu den Füßen des
kleinen Mädchens geglitten. Er kniete jetzt vor ihr und umschlang
sie mit seinen Armen. Auf dem Tische stand ein Wagen, aus Papier
geschnitten, dazu Kähne, Kästen und Bischofsmützen.
    »Also liebst du mich wirklich?« fragte er immer wieder. »Sag,
daß du mich wirklich liebst.«
    »Ja doch, ich liebe dich wirklich und wahrhaftig. Du weißt es
doch.«
    Der starke Mann zitterte, als ob er eine
Liebeserklärung zu fürchten hätte.
    »Und wenn ich dich fragte, ob ich immer hier bei dir bleiben
solle. Was würdest du antworten, kleine Jeanne?«
    »Oh! ich wär's zufrieden! Wir würden zusammen spielen, nicht
wahr? ach! das wäre herrlich!«
    »Immer, hörst du, würde ich dableiben!«
    »Sie sehen es,« sagte der Priester lächelnd, »das Kind will
es.«
    Helene blieb ernst, sagte nichts mehr dagegen. Der Brautwerber
hatte sein Amt wieder aufgenommen und verweilte bei den Verdiensten
des Herrn Rambaud. Wäre er nicht der beste Vater für Jeanne? Sie
kannte ihn und brauchte nichts dem Zufall überlassen. Als sie noch
immer schwieg, fügte der Abbé mit großer Erregung und Würde hinzu:
Wenn man sich zu einem solchen ungewöhnlichen Wege entschlossen
hätte – nicht an seinen Bruder, sondern an sie, an ihr Glück habe
er dabei gedacht.
    »Ich glaube Ihnen, ich weiß ja, wie sehr Sie mein Bestes
wollen!« antwortete Helene lebhaft. »Warten Sie! Ich will Ihrem
Bruder in Ihrer Gegenwart antworten.«
    Es schlug zehn Uhr. Rambaud trat ins Schlafzimmer. Sie ging ihm
mit ausgestreckten Händen entgegen:
    »Ich danke Ihnen für Ihren Antrag, lieber Freund, und bin Ihnen
sehr zu Dank verpflichtet. Bloß« – sie schaute ihm ruhig ins
Gesicht und hielt seine große Hand in der ihrigen – »ich bitte um
Bedenkzeit, und … ich werde vielleicht viel Zeit dazu
brauchen.«
    Er zitterte und wagte nicht, aufzuschauen.
    »Oh! soviel Sie wollen!« stotterte Rambaud mit gesenktem Blick,
»ein halbes, ein ganzes Jahr, noch mehr, wenn Sie wollen!«
    Helene lächelte matt.
    »Aber ich wünsche, daß wir Freunde bleiben! Sie werden wie
bisher kommen… Sie versprechen mir bloß zu warten, bis ich selbst
wieder davon reden werde –

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