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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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warf Juliette ein, »Marquis werden wir wenigstens ein
Dutzend haben.«
    »Was schadet das?« antwortete Malignon ruhig. »Je mehr, desto
spaßiger wird es sein. Ich sage Ihnen, wir haben das Richtige
gefunden. Der Herr des Hauses muß als Marquis erscheinen, sonst ist
der Ball einfach lächerlich.«
    Er schien dermaßen überzeugt, daß sich schließlich auch Juliette
dafür erwärmte. In der Tat, ein Kostüm als Marquis Pompadour in
weißem Atlas, mit kleinen Rüschen besetzt, mußte köstlich sein.
    »Und Jeanne?« beharrte der Doktor.
    Das kleine Mädchen hatte sich schmeichelnd an die Schulter ihrer
Mutter gelehnt, eine Pose, die sie liebte. Als Helene die Lippen
öffnen wollte, flüsterte sie:
    »O Mama! Du weißt, was du mir versprochen hast!«
    »Was denn?« fragte man in der Runde.
    Helene antwortete lächelnd:
    »Jeanne will nicht, daß ich ihr Kostüm verrate.«
    »Aber, das ist doch richtig!« rief das Kind. »Es gibt doch keine
Überraschung, wenn man vorher alles verrät.«
    Man lachte über diese Gefallsucht. Herr Rambaud neckte sie und
drohte, das Kostüm zu beschreiben. Da wurde Jeanne blaß. Ihr
sanftes Gesicht mit dem leidenden Zug wandelte sich in trotzige
Härte, auf der Stirn bildeten sich zwei steile Falten und das Kinn
reckte sich.
    »Du!« stotterte sie drohend. »Du wirst nichts sagen!«
    Und als Rambaud noch immer tat, als ob er sprechen wollte,
stürzte sie sich auf ihn:
    »Still! Ich will, daß du schweigst! Ich will's!«
    Helene hatte nicht die Zeit gehabt, dem
Zornesausbruch vorzubeugen, der das Kind oft so schrecklich
schüttelte.
    »Jeanne, Jeanne! Du machst mir viel Kummer!« verwies sie die
Tochter.
    Da wandte das Kind den Kopf zur Seite. Und als es seine Mutter
mit untröstlichem Gesicht und tränenvollen Augen sah, brach es in
Schluchzen aus und warf sich ihr an den Hals.
    »Nein, Mama … nein, Mama … «
    Helene strich ihr übers Gesicht, sie am Weinen zu hindern. Da
setzte sich das Kind wenige Schritte seitwärts auf eine Bank und
schluchzte stärker. Herr Rambaud und der Doktor hatten sich
genähert. Der erstere fragte sanft:
    »Sprich doch, mein Liebling! Weshalb hast du dich geärgert? was
hab' ich dir denn getan?«
    »Oh!« sagte das Kind, die Hände fortnehmend und sein verstörtes
Gesicht zeigend, »du hast mir meine Mama nehmen wollen!«
    Der Doktor begann zu lachen. Herr Rambaud verstand nicht
gleich.
    »Was redest du da?!
    »Jawohl, am letzten Dienstag! Oh! Du weißt schon, du hast mich
gefragt, was ich dazu sagen würde, wenn du ganz bei uns
bliebst!«
    »Aber du sagtest doch, daß wir dann immer zusammen spielen
würden.«
    »Nein, nein!« rief das Kind heftig, »ich will nicht, verstehst
du? Sprich nie mehr davon, nie mehr, und wir werden wieder Freunde
sein.«
    Helene, die mit ihrer Näharbeit aufgestanden war, hatte die
letzten Worte aufgefangen.
    »Komm, wir wollen hinaufgehen, Jeanne. Wenn
man weint, ärgert man bloß die Leute.«
    Sie grüßte, die Kleine vor sich her schiebend. Der Doktor war
sehr blaß und sah sie fest an. Herr Rambaud war betreten. Frau
Deberle und Pauline hatten mit Malignon Lucien in die Mitte
genommen und drehten sich im Kreise, über die Schultern des Buben
hinweg das Marquis-Kostüm erörternd.
    Am andern Tage saß Helene allein unter den Ulmen. Frau Deberle
war in Angelegenheiten ihres Ballfestes ausgegangen und hatte
Lucien und Jeanne mitgenommen. Als der Doktor früher als gewöhnlich
nach Hause kam, ging er rasch die Treppe hinunter. Aber er setzte
sich nicht, sondern umkreiste die junge Frau, Rindenstückchen von
den Bäumen bröckelnd. Helene sah beunruhigt über seine Erregung
auf, dann führte sie wieder mit unsicherer Hand die Nadel.
    »Jetzt wird das Wetter ungünstig,« sagte sie verlegen. »Heute
nachmittag ist's beinahe kalt.«
    »Wir sind auch erst im April,« sagte er leise und zwang seine
Stimme zur Ruhe.
    Er schien sich entfernen zu wollen. Aber dann kam er nochmals
zurück und fragte geradezu:
    »Sie heiraten also?«
    Die offene Frage überraschte Helene, daß sie die Nadel fallen
ließ. Sie war leichenblaß. Nur mit äußerster Willensanstrengung
behielt sie die Fassung, die Augen waren weit geöffnet. Sie
antwortete nicht, und der Doktor redete eindringlich weiter:
    »Oh! ich bitte Sie! ein Wort, ein einziges! Sie heiraten?«
    »Vielleicht; was kümmert das Sie?« antwortete sie endlich
eisig.
    Er machte eine heftige Geste.
    »Aber das ist nicht möglich!«
    »Warum?« fragte sie, ohne die Augen von ihm zu

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