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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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immer hielt sie das Kissen zwischen die
mageren Arme gepreßt.
    »Jeanne! Was hast du? Bist du krank? Brauchst du etwas?«
    Das Kind gab keine Antwort, rührte sich nicht und schloß nicht
einmal die Lider über die weitgeöffneten Augen, aus denen Flammen
sprühten. Wieder hatte sich der Schatten auf ihre Stirn gesenkt,
die Wangen entfärbten und höhlten sich. Schon krümmten sich ihre
Handgelenke, ein neuer Anfall stand bevor. Helene stand rasch auf
und bat sie, zu sprechen, aber in starrem Eigensinn warf sie der
Mutter nur finstere Blicke zu. Helene errötete und stammelte:
    »Doktor, sehen Sie doch! … «
    Der Arzt näherte sich dem Bett und wollte die kleinen Hände
fassen, die noch immer das Kopfkissen umkrampft hielten. Bei der
ersten Berührung drehte sich Jeanne mit heftigem Ruck zur Wand.
    »Laßt mich, ihr! … Ihr tut mir weh.«
    Sie hatte sich unter die Decke vergraben. Vergeblich versuchte
man, sie zu beruhigen. Da endlich hob sich die Kleine in den Kissen
und rief mit gefalteten Händen flehend:
    »Ich bitte euch, laßt mich … Ihr tut mir weh. Laßt
mich!«
    Helene nahm betroffen ihren Fensterplatz wieder ein, aber Henri
setzte sich nicht wieder neben sie. Endlich hatten sie begriffen: Jeanne war eifersüchtig. Der
Doktor ging schweigend auf und nieder und zog sich dann zurück, als
er die angstvollen Blicke sah, welche die Mutter auf das Bett
warf.
    Von diesem Tage an wurde Jeannes Eifersucht schon um ein Wort,
um einen Blick wach. Solange sie noch in Gefahr war, hatte ihr das
Gefühl gesagt, der beiden Liebe anzunehmen, die so zärtlich um sie
besorgt waren und denen sie ihre Rettung zu danken hatte. Jetzt, da
sie genas, wollte sie die Liebe der Mutter allein besitzen.
Unwillen gegen den Doktor stieg in ihr auf, wuchs und wuchs und
wandelte sich in Haß, je kräftiger sie sich fühlte. Der würdige
Herr Rambaud war nun wieder der einzige, dem sie vertraute.
    Jeanne überhäufte ihn mit übertriebenen Zärtlichkeiten, solange
der Doktor im Zimmer war, und ihrer Mutter sandte sie flammende
Blicke, nur um zu sehen, ob sie unter der Zuneigung, die sie für
einen andern hegte, auch Schmerzen litte.
    »Ach! du bist's, lieber Freund,« rief sie, wenn Rambaud eintrat.
»Komm, setz dich hier ganz dicht neben mich … Hast du mir
Apfelsinen mitgebracht?«
    Jeanne richtete sich auf und durchsuchte lachend seine Taschen,
in denen er immer Süßigkeiten stecken hatte. Dann schlang sie die
Arme um ihn, und Herr Rambaud strahlte vor Glück, weil ihm sein
Liebling nun wieder gut war. Jeanne ließ sich in ihren Launen jetzt
immer mehr gehen, nahm die Arznei oder verweigerte sie auch, je
nachdem sie dazu Lust hatte. Allein Herr Rambaud konnte mit ihr
fertig werden. Helene ging ihm im Vorzimmer entgegen und
orientierte ihn rasch. Da schien er plötzlich die Arzneiflasche zu
bemerken.
    »Ei, sieh da! Du trinkst also Grog?«
    Jeanne schmollte.
    »Nein, nein! Das ist schlechtes Zeug! Das stinkt ja… «
    »Nanu! Das willst du nicht trinken?« fragte Herr Rambaud lustig.
»Ich wette, daß das sehr gut schmeckt. Du bist doch nicht böse,
wenn ich einmal koste?«
    Damit schüttete er sich einen großen Löffel voll und schluckte
es, feinschmeckerisch schmatzend, hinunter.
    »Oh, famos, famos! … Du hast dich aber gewaltig geirrt.
Komm, koste doch auch einmal, nur ein kleines bißchen!«
    Jeanne machte es Spaß, wenn der Freund seine Grimassen schnitt.
Sie wehrte sich nicht mehr und wollte von allem trinken, was Herr
Rambaud gekostet hatte. Aufmerksam folgte sie seiner Hantierung und
wollte die Wirkung der Arznei von seinem Gesicht ablesen. So würgte
der Brave vier Wochen lang alle nur mögliche Medizin hinunter. Wenn
ihm Helene danken wollte, zuckte er die Achseln…
    Trotz ausdrücklicher Bitte Helenes stellte sich eines Abends der
Doktor ein. Seit acht Tagen hatten sie, von der Kranken stets
eifersüchtig überwacht, kein Wort mehr wechseln können.
    Helene weigerte sich, Henri einzulassen. Er aber drängte sie
sanft ins Krankenzimmer, wo beide sicher zu sein glaubten. Jeanne
schlief fest. Sie setzten sich an ihren großen Fensterplatz, fern
von der Lampe in den tiefen Schatten.
    So plauderten sie zwei Stunden, ihre Gesichter nähernd, um so
leise zu sprechen, daß das große im Schlafe ruhende Zimmer nicht
aus seiner Stille geweckt wurde. Zuweilen wandten sie den Kopf, das
feine Gesicht der Kranken betrachtend,
deren kleine Hände auf der Bettdecke gefaltet lagen. Schließlich
vergaßen sie das Kind, und ihre

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