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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Aber die
Puppe blieb standfest. Sie setzte die kleinen Hacken fest auf und
plapperte wie ein Papagei bei jedem Schritt, den sie tat, das
gleiche.
    »Oh! Das ist herrlich!« rief Jeanne noch
schlaftrunken. »Was hast du denn mit ihr gemacht? Sie war kaputt,
und nun ist sie wieder, lebendig … Mach doch ein bißchen
Platz, laß mich doch sehen! Du bist gar zu lieb, o so lieb …
«
    Über dem in Flammen stehenden Paris war eine Lichtwolke
aufgestiegen. Es war wie der rote Atem eines Feuerschlotes. Zuerst
war es nur eine Blässe im Dunkel, ein kaum merklicher Widerschein.
Dann rötete sich die Wolke mehr und mehr, hob sich und schwebte
bewegungslos über der großen Stadt. Zusammengeballt aus allen
Flammen und allem grollenden Leben, das aus ihr atmete, glich sie
jener Blitz- und Feuerwolke, die den Gipfel des Vulkans ständig
krönt.

Kapitel 14
     
    Man hatte den Nachtisch aufgetragen, und die Damen wischten sich
behutsam die Finger. Für einen Augenblick trat an der Tafel Stille
ein. Frau Deberle schaute umher, um zu sehen, ob alle fertig wären.
Dann erhob sich die Hausfrau, und es gab ein großes Hin- und
Herrücken von Stühlen. Ein alter Herr hatte sich als rechter
Tischnachbar beeilt, ihr den Arm anzubieten.
    »Nein, nein,« wehrte sie höflich ab und geleitete ihn selbst zur
Tür. »Wir werden den Kaffee im kleinen Salon nehmen.«
    Mehrere Paare folgten ihr. Zuletzt gingen zwei Damen mit ihren
Herren in eifriger Unterhaltung, ohne sich der Gesellschaft
anzuschließen. Im kleinen Salon war die Etikette gelockert. Der
Kaffee stand schon auf dem Tisch und wurde von einem großen
lackierten Tablett serviert. Frau Deberle machte mit der
Liebenswürdigkeit der Hausherrin die Runde und kümmerte sich
persönlich um die verschiedenen Wünsche. In Wirklichkeit war es
ihre Schwester Pauline, die es sich lebhaft angelegen sein ließ,
die Herren zu bedienen. Es waren an die zwölf Personen zugegen,
ungefähr die übliche Zahl, welche die Familie Deberle an jedem
Donnerstag bei sich zu Gaste sah. Gegen zehn Uhr kamen noch viele
Leute.
    Helene hatte den Kaffee zurückgewiesen und sich recht abgespannt
abseits in eine Ecke gesetzt. Sie trug ein schwarzes Samtkleid ohne
Besatz in strenger Draperie. Man rauchte
im Salon. Die Zigarrenkisten standen neben ihr auf einer Konsole.
Der Doktor trat heran und bediente sich.
    »Ist Jeanne munter?«
    »Sehr munter,« antwortete sie. »Wir sind heute im ›Bois‹
gewesen. Sie hat sich gründlich ausgetobt… Und jetzt wird sie wohl
schlafen … «
    So plauderten sie mit lächelnder Vertraulichkeit wie Leute, die
sich alle Tage sehen. Man hörte die laute Stimme Frau Deberles:
    »Ei, Frau Grandjean kann es Ihnen sagen. Nicht wahr? Am zehnten
September bin ich von Trouville nach Hause gekommen. Es regnete,
und am Strand war es unausstehlich.«
    Einige Damen umstanden die Hausherrin, die von ihrem Aufenthalt
im Seebad sprach. So mußte sich Helene der Gruppe der Plaudernden
anschließen.
    »Wir waren vier Wochen in Divard,« erzählte Frau de Chermette.
»Oh, eine herrliche Gegend und reizende Gesellschaft!«
    »Hinter unserer Villa hatten wir einen Garten, und eine Terrasse
ging aufs Meer hinaus,« schwatzte Frau Deberle weiter. »Sie wissen
doch, ich hatte mich entschlossen, meinen Landauer und den Kutscher
mitzunehmen. Das ist für die Spazierfahrten immer so bequem …
Frau Levasseur hat uns besucht.«
    »Ja, an einem Sonntag,« bestätigte diese. »Wir waren in Cabourg.
Oh! Sie hatten eine herrliche Wohnung, bloß ein bißchen teuer.«
    Frau Berthier unterbrach sie und wandte sich an Juliette:
    »Ist es wirklich wahr, daß Sie bei Herrn Malignon
Schwimmuntericht hatten?«
    Helene bemerkte auf Frau Deberles Gesicht
ein plötzliches Unbehagen. Sie glaubte schon mehrmals beobachtet zu
haben, daß es ihr peinlich war, wenn unvermutet der Name Malignon
fiel. Doch schon hatte sich die junge Frau wieder in der
Gewalt.«
    »Ein prächtiger Schwimmer! Als ob der irgend jemandem Unterricht
geben könnte! Übrigens habe ich vor kaltem Wasser schreckliche
Angst. Wenn ich bloß jemanden baden sehe, kriege ich schon eine
Gänsehaut.«
    »Also ist's ein Märchen, das man uns aufgebunden hat?« fragte
Frau Guiraud.
    »Natürlich. Ich wette, er hat es selbst erfunden. Er verwünscht
mich nämlich, seit er mit uns dort unten vier Wochen zusammen
gewesen ist.«
    Unterdessen war Fräulein Aurélie eingetreten. Sie begann sofort
mit einem Lobpreis auf Juliettes Robe aus gepreßtem marineblauem
Samt,

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