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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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mit schwarzer Seide garniert. Jetzt erst schienen die
anwesenden Damen die Robe zu bemerken. Köstlich! Wirklich köstlich!
Das Fräulein kam also direkt von Worms, eine Tatsache, die für
weitere fünf Minuten Unterhaltungsstoff lieferte. Der Kaffee wurde
genommen. Die Gäste hatten die geleerten Tassen aufs Kaffeebrett,
auf den Tisch und die Konsolen abgestellt. Warmer Dunst, Kaffeeduft
mit den leichten Parfüms der Toiletten vermischt, begann den Salon
zu füllen. Frau Deberle hatte ihrem Gatten einen verstohlenen Wink
gegeben. Er verstand und öffnete selbst die zum großen Saal
führende Tür, und während der Diener das Kaffeebrett davontrug,
ging man hinüber. Es war in dem großen Räume fast kühl. Sechs
Lampen und ein zehnarmiger Kronleuchter füllten ihn mit grellem
weißem Lichte. Einige Damen hatten sich dort schon um
den Kamin gruppiert, und ein paar Herren
standen zwischen den aufgespreizten Röcken. Durch die offene Tür
des Resedasalons hörte man die scharfe Stimme Paulines, die es sich
dort mit dem kleinen Tissot gemütlich gemacht hatte.
    »Da ich einmal eingegossen habe, müssen Sie auch austrinken. Was
soll ich nun damit machen? Pierre hat doch schon das Tablett
weggetragen.«
    Dann sah man sie ganz in Weiß in einem mit Schwan besetzten
Kleide. Mit einem Lächeln, das ihre Zähne zwischen den frischen
Lippen zeigte, rief sie:
    »Da kommt der schöne Malignon!«
    Begrüßung und Händedrücke nahmen kein Ende. Herr Deberle hatte
seinen Platz neben der Tür gewählt, und seine Gattin, die unter den
Damen auf einem niedrigen Taburett saß, mußte sich alle Augenblicke
erheben. Als Malignon sich vorstellte, wandte sie den Kopf zur
Seite. Malignon war modisch gekleidet und frisiert. Ein tadellos
gezogener Scheitel lief bis in den Nacken hinunter. Beim Eintreten
hatte er das Einglas ins Auge geklemmt – »außerordentlich
schneidig«, bemerkte Pauline – und ließ nun seine Augen wie ein
Feldherr durch den Salon wandern. Er drückte dem Doktor nachlässig
die Hand und trat dann auf Frau Deberle zu. Er reckte sich, in
einen schwarzen Frack gezwängt, zu seiner ganzen Länge auf.
    »Ah, Sie sind's!« sagte sie anzüglich. »Es scheint, Sie
schwimmen jetzt!«
    Malignon verstand zwar nicht, antwortete aber
geistesgegenwärtig:
    »Aber gewiß, meine Gnädigste … ich habe doch einmal einen
Neufundländer gerettet, der am Ertrinken war.«
    Die Damen fanden das reizend, und sogar die
Hausherrin gab sich geschlagen.
    »Ich glaube Ihnen den Neufundländer gern – aber Sie wissen doch,
daß ich nicht ein einziges Mal in Trouville gebadet habe.«
    »Ach so, Sie meinen die Schwimmstunde, die ich Ihnen gegeben
habe… habe ich Ihnen nicht einmal in Ihrem Eßzimmer gesagt, daß man
Hände und Beine bewegen müsse?«
    Die Damen lachten. Er war kostbar. Juliette zuckte die Achseln.
Mit diesem Malignon konnte man wirklich kein ernstes Gespräch
führen. So erhob sie sich und trat zu einer Dame, der der Ruf einer
vorzüglichen Pianistin vorausging und die zum ersten Male in diesem
Kreise hier Gast war. Helene saß neben dem Kamin, sah und hörte
sich alles mit unerschütterlicher Ruhe an. Malignon schien sie
besonders zu interessieren. Sie hatte gesehen, wie er sich gewandt
Frau Deberle näherte, die sie jetzt hinter ihrem Lehnsessel
plaudern hörte. Sie lehnte sich ein wenig zurück, um besser zu
verstehen.
    »Warum sind Sie gestern nicht gekommen? Ich habe bis um sechs
auf Sie gewartet.« Das mußte Malignons Stimme sein.
    »Lassen Sie mich doch in Ruhe. Sind Sie verrückt?« flüsterte
Juliette.
    Jetzt wurde Malignons Stimme lauter.
    »Ha, gnädige Frau! Sie glauben mir die Geschichte mit dem
Neufundländer nicht! Ich habe eine Rettungsmedaille bekommen. Darf
ich sie Ihnen zeigen?«
    Und dann setzte er kaum hörbar hinzu:
    »Sie haben es mir doch versprochen … Besinnen Sie sich
doch… «
    Eine ganze Familie erschien, und Frau
Deberle erging sich von neuem im üblichen Begrüßungsschwall,
während Malignon mit dem Einglas im Auge zu den Damen trat.
    Helene lehnte sich leichenblaß zurück. Das war ein Blitzschlag,
etwas Unerwartetes, Ungeheuerliches! Wie konnte diese so glückliche
Ehefrau mit so ruhigem Gesicht ihren Gatten hintergehen? Und
ausgerechnet mit diesem Malignon!
    Plötzlich traten ihr die Nachmittage im Hausgarten wieder vors
Auge. Juliette, lächelnd und zärtlich, und der Kuß des Doktors
berührte ihr Haar. Sie liebten einander doch! Und plötzlich
übermannte Helene ein Zorn, als ob sie

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