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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Probe herankriegen … Meine Damen! Ich werde
die Rolle Chavignys lesen … Sonst kommen wir überhaupt nicht
weiter.«
    Helene hielt hartnäckig an ihrem Entschluß fest und versuchte
Juliette beiseite zu ziehen.
    »Bloß auf eine Minute. Bloß ein paar Worte… «
    »Gänzlich unmöglich, meine Liebe … Sie sehen doch, daß ich
stark engagiert bin … Vielleicht morgen, wenn's Ihnen paßt…
«
    »Ich wollte nur fragen, ob Sie nicht heute
Frau von Chermette einen Besuch machen wollten?«
    »Ja, heute nachmittag.«
    »So darf ich mich Ihnen vielleicht anschließen? Ich hatte der
Dame schon seit langem einen Besuch versprochen.«
    Juliette war verlegen, doch fand sie schnell ihre
Geistesgegenwart wieder.
    »Gewiß, aber gewiß … ich würde mich natürlich glücklich
schätzen … Bloß muß ich vorher noch allerlei Lieferanten
aufsuchen und weiß wirklich nicht, wann ich bei Frau von Chermette
sein werde.«
    »Oh; das macht mir gar nichts aus,« blieb Helene hartnäckig.
»Ein Spaziergang ist mir nur zuträglich.«
    »Nun, so hören Sie. Ich darf ja mit Ihnen offen sein … Sie
würden mir lästig fallen … Am nächsten Montag habe ich dann
mehr Zeit.«
    All das brachte Juliette so gänzlich unbefangen mit ruhigem
Lächeln heraus, daß Helene in ihrer Verwirrung nichts mehr zu sagen
wußte. Sie reichte Juliette, die eilig den Tisch zum Kamin tragen
wollte, noch rasch die Hand und wollte sich zurückziehen, während
die Probe ihren Fortgang nahm. Plötzlich hörte sie Henri sagen:
    »O bitte, meine Damen, lassen Sie sich nicht stören. Ich gehe
nur eben durchs Zimmer … «
    Juliette aber wollte die Probe nicht fortsetzen, solange ihr
Gatte da bliebe. Männer dürften nicht alles wissen. So zeigte sich
der Doktor sehr liebenswürdig, wünschte ihnen Glück und versprach
sich eine große Überraschung. Er trug schwarze Handschuhe, und sein
Gesicht war glatt rasiert. Er kam offensichtlich von seinen
Patienten. Er hatte Helene mit einem leichten Nicken gegrüßt und
verabschiedete sich ebenso. Helene hatte geschwiegen
und wartete auf irgend etwas
Außergewöhnliches. Dies plötzliche Erscheinen des Ehemanns schien
ihr bedeutsam. Doch als er nun gegangen war, kam er ihr mit seiner
ahnungslosen Höflichkeit durchaus lächerlich, vor. Also auch ihn
interessierte dieses dumme Komödienspiel! Plötzlich erschien ihr
dies ganze Haus von einer erkältenden Feindlichkeit. Nichts hielt
sie jetzt mehr zurück. Sie verabscheute Henri wie Juliette
gleicherweise. Auf dem Grund ihrer Tasche fühlte sie den Brief
zwischen den Fingern. So stammelte sie nur ein Auf-Wiedersehn und
ging, während sich die Möbel vor ihren Augen zu drehen begannen.
Als sie auf der Straße war, riß Helene den Brief heraus und schob
ihn mechanisch in den Postkasten. Dann blieb sie eine Weile
verblüfft stehen und starrte auf den schmalen Kupferdeckel, der
klappernd über den Schlitz zurückgefallen war.
    »Das ist besorgt.«
    Noch einmal überzeugte sie sich, daß sie niemand beobachtet
hatte, dann bog sie um die Ecke und ging wieder in ihre Wohnung
hinauf.
    »Nun, bist du auch artig gewesen, mein Liebling?« begrüßte sie
Jeanne mit einem Kuß.
    Die Kleine saß noch immer auf dem gleichen Stuhle und hob ihr
schmollendes Gesicht. Wortlos legte sie beide Ärmchen um den Hals
der Mutter und seufzte schwer.

Kapitel 15
     
    Malignon hatte sich, die Füße nahe dem hell brennenden
Kaminfeuer, in einem Lehnstuhl ausgestreckt, und wartete geduldig.
Er hatte die Fenstervorhänge geschlossen und die Kerzen angezündet.
Das Zimmer, in dem er saß, war durch einen kleinen Kronlüster und
zwei Armleuchter erhellt. Im Schlafzimmer nebenan herrschte
verschwiegene Dunkelheit, bloß die kristallene Hängelampe gab ein
ungewisses Dämmerlicht. Mallignon zog die Uhr.
    »Zum Teufel, will sie mich heute am Ende wieder sitzen
lassen?«
    Er gähnte gelangweilt, wartete er doch schon seit einer Stunde.
Wieder stand er auf und prüfte seine Vorbereitungen. Die Anordnung
der Sessel gefiel ihm nicht. Er wollte ein Sofa vor dem Kamin
haben. Die Kerzen glühten mit rosigem Widerschein in den
Kattunvorhängen. Das Zimmer erwärmte sich, während draußen jäher
Wind stieß und heulte. Dann musterte er zum letzten Male das
Schlafzimmer. Der Raum schien ihm sehr geschmackvoll, »schneidig«
von A bis Z. Er war zufrieden.
    Plötzlich wurde dreimal rasch hintereinander an die Tür gepocht.
Das verabredete Zeichen.
    »Endlich!« rief er laut und siegesbewußt.
    Juliette trat

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