Ein Boss zum Träumen
können, Kumpel aus der Schulzeit. Aber sie brauchten niemanden, denn sie hatten einander. Solche Familienbande fehlten ihm. Genau genommen hatte er überhaupt keine Familie.
Auf dem Parkplatz standen bereits viele Pick-ups. Kincaid wartete in seinem auf Jessica. Er hatte ihr angeboten, sie abzuholen, aber sie wollte mit ihrem Wagen aus Sacramento kommen. Irgendwie fühlte es sich falsch an. Bei einem Date musste der Mann das Mädchen abholen – sonst war es doch kein richtiges Date, oder? In solchen Dingen kannte er sich nicht besonders gut aus.
Aber eigentlich war das ja kein richtiges Date. Sie half ihm aus einer Notlage, mehr nicht. Trotzdem war es nicht richtig, dass sie sich erst hier trafen.
Als sie mit ihrem babyblauen Mercedes auf den Parkplatz fuhr, stieg er aus, um sie begrüßen. Sie trug hautenge Jeans, Stiefel und ein rosafarbenes Westernhemd. Ihre dunklen Haare waren kurz geschnitten, die Augen tiefblau, und ihre Figur war vollkommen. Sie gehörte zu den erfolgreichsten Maklerinnen im Norden Kaliforniens, und als er seine Baufirma um Immobilien erweiterte, hatte sie ihm mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Er schuldete ihr eine Menge – und jetzt tat sie ihm schon wieder einen Gefallen.
„Hallo, du schöner Mann.“ Sie umarmte ihn stürmisch.
„Hallo, du schöne Frau.“ Vor einigen Jahren wären sie einmal sogar fast im Bett gelandet. Sie hatte gerade eine längere Beziehung beendet und wollte ausprobieren, ob sie noch attraktiv war. Er hatte es ihr ausgeredet – und bereute es bis heute nicht.
„Ich soll also ganz fasziniert von dir sein?“, erkundigte sie sich, während sie zur Kneipe liefen.
Er lächelte. „Es reicht aus, wenn du interessiert guckst.“
„Willst du mich betatschen?“, fragte sie mit einem spitzbübischen Grinsen.
Er tat empört. „Wo denkst du hin! Ich will mit dir tanzen.“
Sie hakte sich bei ihm ein. „Tanzen kann ein tolles Vorspiel sein.“
„Das habe ich auch gehört.“ Er hatte ganz vergessen, wie verführerisch sie sein konnte, wenn sie ihren Charme anknipste. Normalerweise sah er in ihr nur die Geschäftsfrau.
„Ich glaube, in dieser Kneipe gibt’s wohl kaum Bio-Burger“, meinte sie mit einem kritischen Blick auf die Eingangstür.
„Kaum. Aber die Hamburger sind fantastisch.“
„Dann wirst du wohl die Kalorien mit mir wegtanzen müssen. In letzter Zeit fällt es mir immer schwerer, meine mädchenhafte Figur zu behalten.“
„Scharf auf Komplimente, Jess?“ Er wusste gar nicht, wie alt sie war. Vierzig vielleicht. „Wir wissen doch beide, dass die Männer dich noch immer mit den Blicken verschlingen.“
Sie grinste. „Bist du eifersüchtig? Wirst du meine Ehre mit deinen Fäusten verteidigen?“
Der plötzliche Lärm, der ihnen beim Eintreten entgegenschallte, ersparte ihm eine Antwort, aber ihre Bemerkung erinnerte ihn an das Gespräch über Eifersucht, das er wenige Stunden zuvor mit Shana geführt hatte. Nein, er würde nicht eifersüchtig auf Jess sein, wenn sie sämtliche Blicke an sich zog oder mit jemand anderem tanzte. Er hatte noch nie um eine Frau gekämpft.
Was allerdings Shana anging – da dachte er auf einmal ganz anders, und es gefiel ihm überhaupt nicht. „Tisch oder Tresen?“, rief er Jessica über das Stimmengewirr hinweg zu.
„Tresen.“ Mit glänzenden Augen schaute sie sich um. Die Band nahm ihren Platz ein, während laute Musik aus der Jukebox dröhnte.
Am liebsten wäre er sofort wieder nach Hause gegangen.
Dort wollte er allerdings erst dann wieder auftauchen, wenn Shana bereits im Bett war, weil er keine Lust hatte, die Fragen zu beantworten, die sie ihm möglicherweise stellte. Mit einem etwas gezwungenen „Viel Spaß“ hatte sie ihn verabschiedet. Es reichte aus, wenn er ihr erst am nächsten Morgen wieder begegnete.
Inzwischen bedauerte Kincaid es fast, dass er ihr den Job angeboten hatte. Jetzt konnte er sich nicht einmal mehr ungezwungen in seinem eigenen Haus bewegen, ohne dass Shana seine persönlichsten Dinge mitbekam.
Er bahnte sich mit Jess einen Weg zum Tresen, wo sie zwei Plätze fanden und Bier und Essen bestellten.
„Kennst du hier jemanden?“, wollte sie wissen.
Er ließ seinen Blick durch den Raum wandern. „Ein paar Leute, ja.“ Viele von ihnen musterten ihn sehr interessiert – und die Frau an seiner Seite, wie er vermutete. Wahrscheinlich würden sie über ihn tratschen. Das war ja schließlich der Zweck der Übung – sie sollten über die Frau an seiner Seite und
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