Ein Boss zum Träumen
ihr das bewusst wurde, kam sie unvermittelt auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie durften diese Barrieren zwischen sich nicht einreißen. Sie waren zwar bloß aus Stoff, aber …
Nein, wenn sie diesen Job behalten wollte, dann durften sie ihrem Begehren nicht nachgeben. Es stand zu viel auf dem Spiel – vor allem für Shana. Sie konnte alles verlieren.
Sie richtete sich auf. Am liebsten hätte sie Kincaid geküsst, ließ es aber bleiben. Hastig kletterte sie von seinen Knien.
„Tut mir leid.“ Sie meinte es wirklich. Hals über Kopf verließ sie das Zimmer und stieg die Treppe hinauf. Plötzlich fühlte sie sich ziemlich ausgelaugt.
„Die Leute haben schon angefangen, Wetten auf uns abzuschließen!“, rief er ihr nach.
Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen und drehte sich um.
Er folgte ihr. „Ich denke, du solltest es wissen.“
„Worum genau geht es denn bei der Wette?“
„Ob wir noch vor Weihnachten zusammen schlafen werden.“
Sie verschränkte die Arme. Die Leute wetteten also genau auf das, was sie sich selbst wünschte. Allerdings wollte sie nicht bis Weihnachten warten. „Und wie wollen sie herausbekommen, ob das passiert?“
„Wie bekommt jemand in dieser Stadt etwas heraus? Vielleicht warten sie ein paar Monate, um zu sehen, ob du schwanger bist. Und dann zählen sie zurück.“
„Haben die noch nichts von Verhütung gehört? Das Letzte, was passiert, ist, dass ich schwanger werde. Das kann ich mir und auch meinen Eltern nicht antun. Meine Mutter und ich verstehen uns gerade wieder etwas besser. Das wäre mit einem Schlag vorbei.“
Sein langes Schweigen irritierte sie. „Tut mir leid, Kincaid. Trotz allem, was du mir Gutes getan hast, sieht es nicht so aus, als könnte ich mich dafür bei dir revanchieren. Ich wollte dich nicht quälen.“ Sie zeigte auf die Couch.
„Du revanchierst dich genau mit dem, was ich erwartete, als ich dich eingestellt habe – und zwar mit ordentlicher Arbeit. Was das angeht“, jetzt zeigte er auch aufs Sofa, „das hat mir Spaß gemacht, aber es war gut, dass du aufgehört hast. Ab sofort werde ich mich besser unter Kontrolle haben.“
Die Enttäuschung traf Shana wie ein Schlag in den Magen. Insgeheim hatte sie gehofft, dass er die Initiative übernehmen und nicht so rücksichtsvoll auf ihren Wunsch, bloß ihren Ruf nicht zu ruinieren, reagieren würde. Sollte sie ihn nun dafür bewundern oder sauer auf ihn sein? Was für eine Zwickmühle …
„Gute Nacht, Shana.“
„Gute Nacht.“
Eine Stunde später hörte sie, wie er in sein Schlafzimmer ging. Was hatte er noch getan? Ferngesehen? Den Baum angestarrt?
Oder hatte er überlegt, wie er sie loswerden konnte – jetzt, da die Situation so kompliziert geworden war?
Kincaid fühlte sich für sie verantwortlich. Und sie musste zusehen, dass sie sich ebenfalls an die Abmachungen hielt.
8. KAPITEL
Am Samstagabend fuhr Shana zum Stompin’ Grounds , fand einen Parkplatz und blieb eine Weile hinterm Steuer sitzen. Unvermittelt legte sie den Rückwärtsgang ein, rangierte aus der Parklücke und fuhr davon. „Das ist doch verrückt“, murmelte sie. Sie wollte gar nicht hierher. Sie wollte nicht, dass ihr Kind woanders schlief, weit weg von ihr.
„Und nun?“, überlegte sie, während sie nach Norden in Richtung Grass Valley fuhr, wo niemand sie kannte und keiner Wetten auf sie abschloss.
Shana waren fast die Tränen gekommen, als sie Emma zurückließ. Hinzu kam, dass sie allein ausgehen musste, denn Aggie hatte eine Verabredung mit Doc. Sie solle doch mit zwei ihrer Enkelinnen ausgehen, schlug Aggie vor. Aber auch die hatten schon etwas vor.
Jeder hatte eine Verabredung – oder einen Ehemann. Nur sie nicht. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass noch niemand sie eingeladen hatte, seitdem sie wieder in der Stadt lebte. Niemand schien an ihr interessiert zu sein. Das war schon ziemlich deprimierend. Offenbar schienen alle sie für uninteressant zu halten. Sicher, sie legte Wert auf ihre Unabhängigkeit. Aber das hieß ja nicht, dass sie keinen Spaß haben wollte.
Wirkte sie tatsächlich wie ein verschüchtertes Mauerblümchen?
Abrupt wendete Shana den Wagen und fuhr zurück zum Stompin’ Grounds. Dort traf sie bestimmt einige Bekannte, mit denen sie den Abend verplaudern oder eine Partie Billard spielen konnte. Darin war sie nämlich gar nicht so schlecht.
Schade, dass Kincaid sie nicht begleitete. Aber seit dem Vorfall neulich herrschte eine eigentümliche Anspannung zwischen ihnen.
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