Ein Braeutigam und zwei Braeute
machen.«
»Gut, das soll mir recht sein.«
Der junge Mann kehrte überraschend schnell zurück. Er hatte viel mehr Honigkuchen und Branntwein gekauft, als ein Minjan essen oder trinken konnte. Inzwischen hatte ich einen Teil des Minjan zusammengekratzt: einen Lastenträger mit einem Seil um die Hüften, einen alten Mann, der im Bethaus saß und Psalmen sang, einen Jugendlichen in zerrissenen Stiefeln und mit wirren Schläfenlocken, einen untersetzten Mann, der heiße Erbsen und Bohnen auf der Straße verkaufte, einen einfachen Juden mit gelbem Bart, dessen sonnenverbranntes Gesicht voller Sommersprossen war. Aber damit waren für das Quorum von zehn immer noch nicht genügend Männer beisammen. Also zog ich noch einmal los, um einige Nachbarn zusammenzutrommeln. Der Schneider, dessen Tochter gestorben war und dessen Schwiegersohn ihre Schwester geheiratet hatte, kam in weißen Hemdsärmeln, eine Brille auf der Nasenspitze und ein Maßband um den Hals. Vater sagte ihm, er solle einen Kaftan anziehen, und er kam wieder in einem halbfertigen Kleidungsstück, aus dem die Heftfäden noch nicht herausgezogen waren.
Ich holte auch den Gänsehändler aus dem zweiten Stock hinzu. Während ich den Minjan versammelte, hatte der junge Bräutigam schon jedem einzelnen seine Geschichte erzählt. Er sah halb trunken vor Freude aus. Er hörte nicht auf zu reden, zu erzählen, auf die kleine Frau zu deuten, für die er sich von einem Zug in den nächsten geschleppt, Grenzen überquert und sich und andere ruiniert hatte.
Dann bemerkte er: »Ich möchte verflixt noch mal wissen, was ich am Morgen nach der Hochzeit tue … ich bin völlig blank.«
»Du hättest ein junges Mädchen nehmen und eine neue Mitgift kriegen können«, warf die Frau ein.
»Eine Mitgift hätte mich sicher nicht umgebracht, aber ich brauche kein junges Mädchen. In meinen Augen bist du viel besser als das allerschönste Mädchen. Schließlich bin ich kein Hohepriester, der eine Jungfrau heiraten muß. Mit Gottes Hilfe werden wir unser täglich Brot erlangen.«
»Genau das sage ich auch.«
»Ich habe immer gedacht, ein fremdes Land wäre das Paradies«, sagte er. »Im Ausland sein – das ist doch was! Aber als ich hinter der Grenze war und gesehen habe, daß der Himmel derselbe ist, die Erde dieselbe und die Menschen dieselben, da wurde ich traurig. So ist das mit allem. Ich hatte gedacht, Diamanten polieren wäre eine saubere Arbeit. Diamanten – das ist doch was! Aber die Hände werden dabei so schmutzig, daß man sie kaum sauber bekommt. Es ist nicht viel besser, als Gerber zu sein. Es wäre ja noch gegangen, wenn man wenigstens das ganze Jahr laufend zu tun hätte. Aber nein! Es ist Gelegenheitsarbeit. Einen Tag hat man Arbeit und am nächsten Tag keine. Es gibt in Antwerpen ein Café, in dem die Diamantenhändler sich treffen. Sie hocken zusammen an den Tischchen, und einer zeigt dem anderen ein paar Musterdiamanten, die in Papier eingewickelt sind. Der andere zieht seine Lupe heraus, prüft den Edelstein, reibt ihn und reicht ihn einem dritten weiter. Der gibt ihn wieder einem anderen. Und so wandert das Papierchen von einer Hand in die nächste. Diese Kaufleute haben ihr Auskommen, aber der Arbeiter traut sich nicht, einen Kaffee zu bestellen, weil er vielleicht nicht genug Geld für die Heimfahrt mit der Straßenbahn hat. Inzwischen hatte die Schächterstochter sich an mich herangemacht. Der Schächter ist ein polnischer Jude, einer von uns, aber dort trug er schon einen modernen weichen Hut. Er wollte einen Schächter aus mir machen. Ich hatte schon angefangen, Tewuot Schor zu studieren, aber selbst wenn ich mit dem Buch in der Hand dasaß, dachte ich an diese Frau …«
»Jetzt ist es aber wirklich genug!« sagte Vater.
»Was ist denn? Ist es verboten zu lieben? Jakob hat Rahel auch geliebt …«
»Diese Geschichte ist eine Allegorie!«
»Der Talmud sagt: ›Ein Vers in der Heiligen Schrift muß in seinem wörtlichen Sinn gelesen werden.‹ Jakob liebte sie einfach. Als er am Morgen aufwachte und Lea erblickte, fühlte er die Enttäuschung bis in die Magengrube.«
»Kommen Sie, das ist keine Art zu reden!«
»Rabbi, ich habe ein bißchen Schnaps intus. Ich bin betrunken – darum rede ich so. Jetzt, wo ich den Tag erlebe, daß ich sie heirate, kommt es mir vor wie Simchat Tora.«
»Mal sehen, was du heute in einem Jahr sagst, so Gott will«, sagte seine Frau.
»Nie wieder
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