Ein Braeutigam und zwei Braeute
funktioniert, und das war's. Ihr Vater war Schächter und hatte damit dort ein gutes Auskommen. Mich wollte er auch zum Schächter machen. Aber wie hätte ich andere Geschöpfe schlachten können, wenn ich mich selbst schon abgeschlachtet hatte! Sie fehlte mir so sehr, daß ich dachte, ich verliere den Verstand. Ich hatte hie und da von Liebe gehört und hielt das immer für die Art von Unsinn, wie er in der Zeitung steht. Aber ich liebe dieses Frauchen hier an meiner Seite. Ohne sie kann ich nicht leben, und das ist die Wahrheit.«
»Oh, du redest zuviel«, neckte ihn die kleine Frau. »Als ob das für sie von Bedeutung wäre!«
»Es ist von Bedeutung«, sagte Mutter. »Es gibt eine Morallehre, die rät, sich nicht überstürzt scheiden zu lassen. Was hätten Sie getan, wenn sie, Gott bewahre, auch wieder geheiratet hätte? Damit wäre alles aus und vorbei gewesen.«
Die kleine Frau fuhr auf. »Ich heiraten? Ich hatte mir geschworen, daß einmal genug war. Man hat mir Partien vorgeschlagen. Der Heiratsvermittler ist mir nachgerannt. Meine gute Mutter hat sogar eine Begegnung mit einem der Männer arrangiert. Aber ich habe nur einen Blick auf ihn geworfen und gedacht, er ist nichts im Vergleich zu Berisch, meinem Mann, und bin weggelaufen.«
»Hören Sie, Rebbezin?«
»Nun, es ist gut, wenn ein junges Paar sich liebt«, sagte Mutter. »So soll es sein. Trotzdem, man sollte es nicht zu eilig haben …«
Doch das junge Paar hatte es eilig. Vater hätte die Heirat gern um einen Tag aufgeschoben, doch der junge Mann weigerte sich, das auch nur zu erwägen. Er ging fort, um Honigkuchen und Branntwein zu kaufen. Und ich ging auf die Straße hinunter, um einen Minjan aufzutreiben. Vater begann unterdessen, den vorgedruckten Heiratsvertrag auszufüllen. Als die Frau auf dem Stuhl Platz nahm, wechselte ihr Gesicht die Farbe. Jemand liebte sie. Ihretwegen hatte jemand sich scheiden lassen und hatte den täglichen Umgang mit Diamanten aufgegeben, um zu ihr zurückzukehren. Sie spielte mit den Gliedern ihrer Bernsteinkette. An einem ihrer Finger funkelte ein Diamant.
Mutter fragte: »Ist der Diamant von hier?«
»Von dort«, antwortete die Frau. »Er hat ihn als Geschenk mitgebracht.«
»Was sagen Ihre Eltern?«
»Offen gestanden, sie lehnen ihn ab«, fing die Frau zögernd an. »Warum ist er damals so eilig auf und davon? Ich liebe ihn, aber meine Eltern liebe ich auch. Ich wollte nicht, daß Hunderte von Meilen zwischen ihnen und mir liegen. Aber wenn er sich einmal etwas in den Kopf setzt, ist er ganz verrückt danach. Also ist er fort und hat sich von mir scheiden lassen. Was meinen Sie? Glauben Sie, daß die Schächterstochter sich umsonst hat scheiden lassen? Er hat ihr wahrscheinlich eine hübsche Summe zahlen müssen. Alles, was er in den paar Jahren, die er fort war, gespart hat, ist dabei draufgegangen.«
»Haben Sie Kinder?«
»Wir haben eine achtjährige Tochter.«
»Und hat er keine Kinder mit der anderen Frau?«
»Er behauptet, nein. Aber wer weiß? Er fing an, mir zu schreiben, aber ich habe nicht geantwortet. Meine Mama schnappte sich die Briefe immer und zerriß sie an Ort und Stelle! Sie sagte dem Postboten, er solle alle Briefe aus Antwerpen zurückschicken. Aber dann ist er dazu übergegangen, die Briefe an seinen Vetter zu schikken, und der hat sie mir gebracht. Ich habe sie gelesen und sofort gesehen: er sitzt in einer Grube. Er vermißte mich so sehr, daß es ganz furchtbar war. Und auch ich hatte Sehnsucht nach ihm. Und das Kind fragte immer wieder: Wo ist Papa? Rebbezin, ich sage Ihnen, es war schrecklich. Als Mama hörte, er werde zurückkommen, hat sie einen solchen Aufstand gemacht, daß es im ganzen Schtetl zu hören war. Aber ich habe noch immer keine Augen für einen anderen. Papa ist ein sanftmütiger Mensch. Er hat für alles Ver ständnis, aber irgendwie war es nicht schicklich, an unserem Heimatort wieder zu heiraten. Wie würden Sie das ausdrücken? Vater hat Mutter wieder geheiratet …? Sie haben im Schtetl sogar ein Spottlied über uns gesungen.«
»So etwas kann passieren«, sagte Mutter.
»Ja, alles kann passieren. Rebbezin, ich habe vergessen, Sie zu fragen – jemand hat mir erzählt, daß er meinen Ring benutzen kann. Ich habe keinen neuen Ehering.«
»Wenn Sie ihn ihm zum Geschenk machen, darf er ihn benutzen.«
»Wie soll ich ihn ihm geben?«
»Sie erklären, daß Sie ihn ihm zum Geschenk
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