Ein Braeutigam und zwei Braeute
die Lippen kommen …! Das hieße den Namen des Höchsten entweihen.
Nach einer Weile kam etwas mehr Klarheit in die Sache. Die chassidischen Juden stahlen nicht, Gott bewahre, sondern bedienten sich bloß. Sie gaben sich Darlehen. Mit raffinierten Tricks und unter allen möglichen Vorwänden nahmen sie sich Geld. Sie mußten Töchter verheiraten, Ehefrauen zur Kur schicken, selber in Heilbäder gehen, und all das kostete. Und da der alte Mann, der gerade gestorben war, in seinen letzten Jahren etwas senil gewesen war, hatten seine jungen Partner ihm Papiere zum Unterzeichnen untergeschoben, die er auch unterschrieb. Sie steckten unter einer Decke mit dem Hauptbuchhalter. Sie hatten Ware für das Geschäft eingekauft, den doppelten Preis bezahlt und kräftige Rückvergütungen von den Großhändlern erhalten. Sie hatten also zwar keine Safes aufgebrochen, aber trotzdem Geld genommen, das ihnen nicht gehörte. Sie gingen dabei gerissen vor, mit Vorsatz, in großem Maßstab und unter dem Mantel der Ehrbarkeit, wie es sich für Chassidim gehörte, die am Kopftisch des Rebbe saßen, wenn sie an den Feiertagen zu ihm reisten.
Als Vater schließlich erfaßte, was vorging, fiel er ganz in sich zusammen. Er sah bedrückt aus und wurde blaß im Gesicht; sein Bart schien auf einmal zu verfilzen. Er verlor offensichtlich die Sprache. Statt dessen seufzte er fortwährend. Hinter ihm stand die Toralade. Darüber, auf dem Rand der Lade, hielten zwei Löwen die Tafeln mit den Zehn Geboten. Den ganzen Tag verkündete das Gebot: Du sollst nicht stehlen!
Mutter brachte Vater Tee, aber er ließ ihn kalt werden. Er zündete sich eine Zigarette an, legte sie aber sogleich beiseite. Die Partner versuchten, ihm mit einem Aphorismus zu kommen, einem chassidischen Kommentar, einer klugen Äußerung Reb Heschels, aber Vater achtete kaum darauf. Seine traurigen Augen fragten: Welchen Wert haben alle diese schönen Worte, wenn … wenn …
Auf einmal riß einem der Erben die Geduld, und er schrie: »Ihr seid alle Diebe! Schwindler! Heuchler! Gauner!«
Einen Moment war das Gerichtszimmer still. Mir schien, nach diesen Worten müsse die Welt entzweibrechen. Aber die Petroleumlampe brannte weiter. Dann rief ein zweiter Erbe: »Man wird euch in Ketten abführen!«
Eine Welle der Furcht überrollte mich. Ich spürte tatsächlich, wie mein rotes Haar sich sträubte. Einer der Partner, ein Mann mit langem schwarzen Bart, rief aus: »Ja, führ nur große Reden, aber mach dir klar, daß du uns nicht das geringste anhaben kannst, außer du schaffst es, uns Salz auf den Schwanz zu streuen!«
»Ganove! Taschendieb!«
»Atheist! Ungläubiger! Wüstling!«
Bald war klar, daß die Partner nicht bloß Diebe waren, sondern dabei auch gewieft. Sie hatten auf eine Art und Weise abkassiert, die in den Augen des Gesetzes völlig legal war. Und zum Rabbinergericht waren sie gekommen, weil sie in dem Geschäft so weitermachen wollten. Ihr Schlichter argumentierte: »Wir wollen Frieden, aber wenn Sie Krieg wollen, gibt es eben Krieg.«
»Gebt zurück, was ihr gestohlen habt!«
»Atheist! Sünder in Israel!«
»Es ist restlos unter unserer Würde, weiter mit ihnen zu reden«, erklärte einer der Partner, ein Mann mit breitem Blondbart und goldgeränderter Brille.
Vater starrte ihn verwundert an. Seine blauen Augen schienen zu fragen: Da du doch ein Dieb bist, wieso ist es unter deiner Würde, mit ihnen zu reden? Statt dessen sagte er: »Ich habe hier weder Kosaken noch Polizisten – ich kann nur nach der Tora urteilen.«
»Wir kennen das Gesetz …«
Vater winkte den Schlichter der Partner zu sich, um unter vier Augen mit ihm zu sprechen.
Der Mann sagte: »Wir müssen ihnen sagen, daß sie sich einigen sollen.«
»Sind die Partner bereit, das Geld zurückzuzahlen?« fragte Vater.
»Vom Friedhof kehrt nichts zurück«, antwortete der Schlichter listig.
»Wie sollen sie sich dann einigen?«
»Wir müssen irgendwelche Schliche finden …«
»Was für Schliche?«
»Die Lage ist die: Wenn die Partnerschaft aufgelöst wird, haben beide Seiten keine Einkünfte mehr. Einer braucht den anderen. Also müssen wir uns etwas Schlaues einfallen lassen, um sie zu beschwichtigen.«
»Was denn Schlaues einfallen lassen?«
»Der Wolf muß unversehrt bleiben und das Lamm ebenfalls …«
»Wie können Juden so etwas tun?«
»O Rabbi, Sie sind so
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