Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
Vom Netzwerk:
Leute sind samt und sonders Erzheuchler. Der Talmud sagt, daß ein Heuchler sieben Jahre nach seinem Tod eine Fledermaus wird.«
      »Diese Chassidim werden also zu Fledermäusen?«
    »Wenn der Talmud das so sagt, wird es so sein.«
    »Wann?«
    »Nicht so hastig. Der Herr der Welt hat Zeit.«
      Ich stellte mir vor, wie die Partner zu Fledermäusen wurden. Zuerst der Partner mit dem schwarzen Bart. Dann der mit dem blonden Bart. Sie würden nachts herumfliegen, und die Mädchen hätten Angst, die Fledermäuse könnten sich in ihrem Haar verfangen … Ich begann, meine Achtung vor Leuten zu verlieren, die wohlklingende Reden führen, teure Zigarren rauchen, kostspielige Hochzeiten für ihre Töchter ausrichten und in Kurbäder reisen. Insgeheim sind sie Diebe. Sie werden als Fledermäuse enden.

Das Geschenk

    Meine Gedanken kehren zu meines Vaters Gerichtszimmer zurück, und ich erinnere mich an einen Rechtsstreit, von dem ich schon längst hätte erzählen sollen.
      Die Tür ging auf, und eine Frau trat ein, die gleichzeitig chassidisch und weltlich aussah. Sie trug einen langen Mantel und hochhackige Schuhe. Sie war in ihren Dreißigern, hatte ein blasses Gesicht mit regelmäßigen Zügen und blauen Augen. Ihre gelockte Perücke war kunstvoll in ihr eigenes Haar einfrisiert. Sie sah aus wie jemand, der in den »anderen Straßen« wohnte, wie wir es nannten – sie war nicht aus unserer ärmlichen Straße. Ehrbare Gepflegtheit umgab sie. Mein Vater sah sie nicht, aber er hatte an den Schritten schon erkannt, daß es eine Frau war, und wandte sich darum ab, um sie nicht anschauen zu müssen.
      »Was kann ich für Sie tun?«
      Die Frau antwortete nicht sogleich. Ihr Mund bewegte sich wie bei jemandem, der sprechen will, aber an seinen Worten würgt. Schließlich brachte sie heraus: »Ich brauche Rat … Ich meine, ich möchte einen Prozeß anstrengen.«
      »Gegen wen?«
      Die Frau schien etwas herunterzuschlucken. »Meinen Mann.«
      »Wo ist er?«
      »Zu Hause.«
      Vater begann, sie auszufragen. Die Antworten der Frau waren so wirr, daß Vater mich losschickte, um den Ehemann zu holen, der in der Chłodnastraße wohnte. Die Frau gab mir Geld für eine Droschke. Es war eines der wenigen Male, wo ich ganz allein und ohne Gepäck mit der Droschke fuhr. Aber leider lag die Chłodnastraße so in der Nähe, daß die Fahrt vorbei war, noch bevor ich sie hatte genießen können.
      Ich läutete an einer Wohnung, der man den Wohlstand ansah. Mir wurde aufgemacht von einem untersetzten Mann mit Spitzbärtchen, der einen Anzug nach westlicher Mode trug, aber keinen Schlips. Er schaute mich erstaunt an. Ich wußte, daß ich mit der Nachricht nicht herausplatzen, sondern ihn vielmehr schonend darauf vorbereiten sollte. Aber ich wußte nicht, wie, und sagte also: »Ihre Frau ruft Sie vor Gericht.«
      Der Mann blickte mich scheel an.
      »Wer bist du?«
      Ich erzählte ihm alles. Er ließ mich ausreden und verzog das Gesicht, als habe er auf etwas Saures gebissen. Ein Zittern überlief ihn. Er faßte sich an sein Spitzbärtchen und stand eine Weile wie gelähmt da, unschlüssig und verlegen. Dann erklärte er: »Nun, es ist zu spät.«
      »Ihre Frau hat es eilig. Sie möchte, daß Sie eine Droschke nehmen.«
      »Wie? Oh, schon recht.«
      Der Mann ging in einen anderen Raum und kam in Schlips und Melone zurück. In der Hand hielt er einen schlanken Spazierstock. Auf der Straße nahm er eine Droschke, sagte aber auf der ganzen Fahrt kein Wort zu mir. Er saß in sich verschlossen da und wirkte wie jemand, der eine schreckliche Demütigung erfahren hat, ein Unrecht, das nie wiedergutgemacht werden kann. Auch mich befiel eine Art von Traurigkeit. Was mag die Frau nur von ihm wollen? fragte ich mich. Der junge Mann schien mir böse zu sein, weil ich der Bote war, und wieder konnte ich die Droschkenfahrt nicht genießen.
      Ich brachte den Beklagten in unsere Wohnung und verzog mich in einen Winkel, um zu beobachten, wie es weitergehen würde.
      »Was für ein Problem haben Sie beide?« fragte Vater.
      »Ich weiß von nichts«, sagte der Mann mit einer Handbewegung, als wolle er sagen, er wisse weder etwas von einem Problem noch von einer Lösung.
      »Wer verklagt wen?«
      »Offenbar sie mich.«
      »Welche Klage haben Sie vorzubringen?« fragte Vater die Frau und wandte sein Gesicht noch weiter von ihr ab.
      Wieder würgte die Frau an ihren Worten – sie sah aus, als habe

Weitere Kostenlose Bücher