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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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Handschellen an und brachte ihn aufs Revier. Ein Hausmeister beseitigte den Hundekadaver. Barfüßige Jungen und Mädchen und sogar ein paar ältere Burschen klaubten Stücke vom Käsekuchen auf und bissen davon ab. Als die Frau, die Hundebesitzerin, hörte, was geschehen war, lief sie auf die Straße, um über ihren Hund und vielleicht auch über ihren Liebhaber zu wehklagen. Aber die Frauen auf der Straße fielen sofort über sie her, schlugen sie und rissen ihr büschelweise das Haar aus. Es gab eine wilde Rauferei mit Wutausbrüchen an allen Ecken und Enden.
      Du möchtest wahrscheinlich von mir wissen, lieber Leser, wie die Geschichte ausgegangen ist, und ich will dir den Gefallen tun. Sie endete damit, daß der Obsthändler einige Wochen im Gefängnis saß und danach von der Bildfläche verschwand. Sainwel der Bäcker lag zwei Tage im Krankenhaus und kam dann wieder nach Hause. Er bemühte sich, seine geschiedene Frau zu trö sten – und das führte zu ihrer neuerlichen Heirat. Vor der Trauung schwor die Frau, sie werde nie wieder einen Hund im Hause halten.
      Anstelle eines Hundes kaufte sie einen Käfig mit zwei gelben Kanarienvögeln und einen grünen Papagei obendrein. Sainwel der Bäcker arbeitete wieder bei seinem Vater. Er knetete nicht mehr die riesigen Teigstücke, sondern schob die Brotlaibe in den Ofen und zog sie wieder heraus. Sainwels Kanarienvögel zwitscherten und sangen den lieben langen Tag. Der Papagei sprach Jiddisch. Es war alles wieder in schönster Ordnung. Nach meiner Ansicht hatten Himmel und Erde sich geschworen, daß ein Hund nicht Sieger bleiben dürfe. Und als Beweis haben wir die Geschichte von Chad Gadja , dem letzten Lied am Sederabend, in dem der Hund auf Seiten der Gerechtigkeit ist, der Herr der Welt aber auf Seiten des Stocks, der den Hund schlägt. Denn ob gerecht oder ungerecht, ein Hund sollte sich in unsere Dinge nicht einmischen.
      Diese Deutung wird dem Rebbe Reb Heschel zugeschrieben, der sie vermutlich als erster geäußert hat. Und selbst wenn nicht, so könnte sie doch von ihm stammen.

Feine Juden, aber …

    Ein paarmal mußte Vater in seinem Gerichtszimmer große Prozesse führen. Ein »großer« Prozeß dauerte gewöhnlich Tage, und jede Seite hatte einen Schlichter, der als eine Art Anwalt fungierte. Wenn Geschäftsleute und reiche Juden zu uns kamen, führte Vater den Vorsitz, die Schlichter saßen seitlich und die streitenden Parteien etwas weiter weg. Sie schrien, redeten, stritten, schrieben Zahlen auf Papier und rauchten Zigaretten und Zigarren. Mutter brachte viele Gläser Tee mit Zitrone und Küchel.
      Und ich stand hinter Vaters Stuhl, lauschte und beobachtete.
      Ein bestimmter Rechtsstreit war besonders kompliziert, weil nie ganz klar wurde, wer wen verklagte. Ein Ladenbesitzer war gestorben und hatte Erben hinterlassen. Geschäftspartner waren auch verblieben. Erben und Partner waren in völligem Dissens.
      Die Erben waren sämtlich junge Männer und Frauen. Die Männer waren westlich gekleidet; entweder trugen sie Stutzbärte oder waren glattrasiert. Die Frauen trugen Hüte, keine Perücken. Die Partner waren chassidische Juden.
      Tage vergingen, und es ließ sich nicht ausma chen, was los war und warum die Erben und die Partner sich nicht einigen und ihr Geschäft weiterführen konnten. Nach und nach kam heraus: Die Partner begingen Unterschlagungen. Die Erben jedoch wollten diesen Vorwurf zunächst nicht aussprechen. Sie unterstellten, fragten naiv. Sie ließen einen Buchhalter holen, der stotternd Ausflüchte machte. Mein Vater war solchen Konflikten nicht gewachsen. Mit Zahlen kannte er sich nicht aus. Außerdem vertraute er den Menschen. Nie wäre ihm in den Sinn gekommen, jemand könne unredlich sein. Hinzu kam, daß die Partner Chassidim waren. Sie sprachen von ihrem Rebbe. Sie ließen Toragelehrsamkeit in ihre Gespräche einfließen. Sie rauchten dicke Zigarren und bliesen Rauchringe mit großspuriger Geste. Sie alle besaßen Wohnungen, Ehefrauen, Töchter und Bücherborde voll heiliger Schriften. Wie hätte man solchen Juden mißtrauen können?
      Doch ich, der kleine Junge mit den roten Schläfenlocken, begriff, was hier vor sich ging. Hinter ihren schönen Worten klagten die Erben die Partner des Diebstahls an. Die Partner stritten dies nie eindeutig ab, sondern wandten ein: Was meinen Sie genau? Verdächtigen Sie Juden wie uns? Wenn ja, ist das das Ende der Welt …! Worte wie diese sollten einem nicht einmal über

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