Ein Braeutigam und zwei Braeute
Hund kläffte meine Mutter an. Die Frau wollte den Hund mit in das Gerichtszimmer nehmen, doch Mutter ließ es nicht zu: »In dem Raum ist eine Tora.«
Sobald ich in die Küche kam und den Hund erblickte, überkam mich eine Mischung aus Furcht und Freude, irgendwie dem Gefühl verwandt, das ich hatte, wenn ein Polizist in unserer Wohnung auftauchte. Ich nahm ein Stück Brot und warf es dem Hund hin. Er beschnüffelte es, aber die braunen Augen in der faltigen Stirn schienen zu sagen: »Trockenes Brot ist für mich kein Leckerbissen.«
Ich wollte den Hund streicheln, aber sein Knurren erschreckte mich. Das war kein Hund, sondern ein vierbeiniger Antisemit. Alle Glieder verrieten rasende Angriffslust. Als Vater in seinem Zimmer das Gebell hörte, bekam auch er Angst. Er klappte das heilige Buch zu, das er studierte, und fächelte sich mit seiner Jarmulke.
»Was ist das?« fragte er.
»Das ist ihr Ehemann«, antwortete Sainwel der Bäcker.
Normalerweise versuchte Vater, zwischen den streitenden Parteien Frieden zu stiften, aber diesmal tat er es nur, um den Anschein zu wahren. So merkwürdig es klingt, die Frau war mit einer Scheidung einverstanden. Sie opferte ihren Mann für den Hund.
Ich entsinne mich nicht, ob die Scheidung bei uns durchgeführt wurde, aber die Ehe wurde jedenfalls aufgelöst. Die Frau behielt Wohnung und Einrichtung. Die Nachricht brachte die Straße zum Brodeln: Ein Hund hatte einen Mann aus dessen Haus vertrieben. Die Frauen erzähl ten schreckliche Dinge von der Frau und flüsterten einander Geheimnisse ins Ohr.
Eine Frau wurde bei der Nachricht rot und rief: »Nein!«
»Doch!« entgegnete die andere und tuschelte ihr noch etwas zu.
»Puh! Das ist doch nicht möglich!«
»Alles ist möglich, meine Liebe. Möge sie in der Hölle schmoren!«
»Und ich habe einmal gehört, wie eine Frau von einer Adligen erzählt hat, die mit einem Hengst zusammenlebte und ein Kind bekam, das war halb Mensch und halb Pferd.«
»Was haben sie damit gemacht?«
»Es ist bei der Geburt gestorben.«
»Das kommt alles von zuviel Luxus. Es geht ihnen zu gut, und darum fangen sie an zu spinnen – Feuer in ihr Gedärm!«
Nach der Scheidung ging es mit Sainwel bergab. Er fing an zu trinken. Nachts sang er beim Teigkneten schwermütige Lieder, und seine Stimme hallte durch den ganzen Hof. Die Nachbarn beschwerten sich, er wecke sie auf. Die Leute wollten ihn wieder verheiraten. Die verschiedensten Frauen taten ihm schön, aber er wollte keine von ihnen.
»Wenn ein Hund mich aus dem Haus jagen kann, dann muß ich wirklich Angst haben.«
Und man sah ihn oft in die Kneipe in unserer Straße gehen.
Die Frau mit dem Hund fand einen anderen Mann, einen Obsthändler, und es ging das Gerücht, daß er sie bald heiraten werde. Zufällig mochte er Hunde. Wenn er die Geschiedene besuchte, brachte er ihr Pralinen und Geleefrüchte mit und dem Hund ein Stück Fleisch oder einen Knochen. Wenn die Frau zu tun hatte, führte der Mann den Hund an der Leine aus. Manchmal ließ er ihn von der Leine, und der Hund folgte ihm wachsam und zog die Leine auf dem Trottoir nach.
Bei einem dieser Spaziergänge passierte etwas Fürchterliches. Sainwel der Bäcker kam aus der Gegenrichtung. Er war barfuß, war bekleidet nur mit langen weißen Unterhosen und balancierte einen Käsekuchen auf dem Kopf. Sainwel hatte aufgehört, die riesigen Teigstücke in der Bäckerei seines Vaters zu kneten, weil er sich einen Bruch geholt hatte. Nun arbeitete er für einen Konditor, für den er den Käsekuchen an ein Café liefern sollte.
Als der Hund seinen ehemaligen Herrn und Rivalen erblickte, griff er ihn blindwütig an. Sainwel schrak zusammen. Der Käsekuchen fiel zu Boden. Der Hund biß Sainwel in den Fuß, und Sainwel packte den Hund am Nacken und erdrosselte ihn. Der Obsthändler zog ein Messer heraus und stach auf Sainwel ein …
All das spielte sich binnen weniger Minuten ab. Der Polizist blies seine Trillerpfeife. Jemand rief die Erste Hilfe an. Auf dem Pflaster lagen der tote Hund mit blutunterlaufenen Augen, ein zermatschter Käsekuchen und ein blutiges Menschenwesen. Die Zunge des Hundes war schwarz und hing ihm wie ein Lumpen aus dem Mund.
Bald wurde Sainwel der Bäcker auf eine Bahre in den Ambulanzwagen gehoben. Ein Arzt bandagierte seinen Fuß und die Schulter, die die Messerstiche abbekommen hatte. Ein Polizist legte dem Obsthändler
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